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Titel: Zeit · Existenz · Kunst · von Doris von Drathen · S. 138 - 155
Titel: Zeit · Existenz · Kunst , 2000

DORIS VON DRATHEN
Das Labyrinth der geraden Linie

ÜBER DIE ZEIT BEI HANNE DARBOVEN

Vor kurzem wäre es dem amerikanischen Mathematiker und Schriftsteller Stephan Jay Gould beinahe gelungen, das Rad der Jahrtausendfeiern anzuhalten: Wir sind zu spät, stellte er fest und schrieb ein Buch zum Fehler in unserer Zeitrechnung. Seinen Korrekturen zufolge müßte das Jahr 2000 schon seit 1996 vorbei sein.

Aber ist der Jahres-, Jahrhundert-, Jahrtausendwechsel wirklich so leicht abzutun, als blanke Vorstellung einer relativen Zeitrechnung? Seit der Mediatisierung ist die Welt nicht mehr wie vorher und auch der Umgang mit der Zeit ist nicht mehr wie vorher: Sie ist festgeschrieben, registriert, konserviert; seit die Zähl- und Zahlenwerke in den Computern die Zeit mitschreiben und den Alltag organisieren, hat die Zeit eine materielle Gegenwart, die sie vorher nicht hatte, hat sie eine Wirklichkeit, die greifbar wird; mit dem drohenden Computer-Bug, von dem niemand wirklich die Ausmaße vorherweiß und der möglicherweise mehr als geahnt auch die privaten Rechner betrifft, hat die Zeit vielleicht zum ersten Mal überhaupt eine physische Präsenz, die weit über das Aufschlagen eines neuen Kalenders hinausgeht.

Als Hanne Darboven Ende der 60er Jahre mit dem Zählen von Zeit begann, war die Zeit noch ein weißer Fleck auf der Landkarte, könnte man sagen. In dem Moment, als sie sich niederlässt, zunächst in ihrem New Yorker Atelier und mit einem Füller in der Hand die Zeit abschreibt, in ihrem eigenen Rhythmus, nach ihrem eigenen Uhrwerk, verabschiedet sie eigentlich eine Zeit, die es so nicht mehr gibt. Hanne Darboven zieht sich zurück in ihre…


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von Doris von Drathen

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