Oswald Wiener:
Das Konzept der universellen Maschine
Ein Gespräch mit Florian Rötzer
F.R.: Sie hatten einmal ein Buchprojekt vor, das unter dem Titel “Poetik im Zeitalter naturwissenschaftlicher Erkenntnistheorien” stand, meines Wissens aber nie erschienen ist. Ist dieses Projekt gescheitert?
O.W.: Dazu gibt es recht weit gediehene Anläufe, und erscheinen wird es – in ein, zwei Jahren. Eigentlich müßte ich mich beeilen, das Thema usurpieren. Aber es ist derzeit doch schwieriger, als ich anfangs dachte. Einmal ist die Theorie, von der da die Rede ist, erst in einigen sehr allgemeinen Grundzügen erkennbar. Deswegen muß man selber originelle Beiträge leisten, nicht zuletzt im Hinblick auf das Verhältnis von Erkenntnistheorie und Ästhetik. Und da zögere ich, zweitens, weil von aktuellen Kunstverständnissen wohl nicht viel übrigbleiben kann. Bloß über das Schicksal der gegenwärtigen Kunstauffassungen zu meditieren, immanente Trends und so, das würde ich gerne anderen überlassen.
In welchem Verhältnis sehen Sie denn, einmal ganz pauschal gesagt, Wissenschaft und Poetik, Ästhetik oder Kunstmachen?
Wenn ich von Theorien spreche, meine ich solche, die im Rahmen der wissenschaftlichen Methoden entstehen, die also “empirisch progressiv”, vorhersagemächtig, formalisierbar etc. sind: naturwissenschaftliche Theorien. Eine Erkenntnistheorie, die diesen Namen verdient, muß das Wissen zum Bau einer Maschine enthalten, die selbst neue Erkenntnisse hervorbringt. Es ist sinnvoll, sich vorzustellen, daß es diese Theorie heute schon gibt.
Warum?
Weil diese Theorie das menschliche Selbstverständnis, Antrieb und Glücksmöglichkeiten, die Wissenschaften und Künste und natürlich auch die Politik verändern wird. Wir müssen bereits heute unsere Einstellungen zu der meiner Meinung nach unaufhaltsamen Entwicklung überprüfen. Mechanistisches Denken ist ja weit verbreitet, aber ich…