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Magazin: Publikationen · von Stefan Römer · S. 463 - 462
Magazin: Publikationen , 1995

Das Klischee vom Künstler

Lange vergriffen, ist nun ein kunsthistorisches Standardwerk wieder erhältlich: »Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch« von Ernst Kris und Otto Kurz von 1934. Die Autoren erarbeiteten diesen Meilenstein der Künstlersoziologie noch vor ihrer Emigration zu Anfang ihrer wissenschaftlichen Karriere. Beide machten Entdeckungen, die sich in der Kernaussage des Buches konzentrieren: Kris (1900-1957) stellte bestimmte wiederkehrende Topoi in Künstlerbiographien fest, die einer Überprüfung nicht standhielten, während Kurz (1907-1975) Beispiele aufspürte, die aus literarischen Vorbildern entlehnt waren. Daraus ergab sich der Schluß, daß sowohl eine Kanonisierung der Künstlerbiographien von Seiten der Biographen, als auch Selbstidealisierung von Seiten der Künstler zu einem Klischee des Künstlers geführt hat, unter dessen Einfluß die zeitgenössische Kunstgeschichte z.T. heute noch steht.

Somit gilt es, sich bei der Interpretation biographischer Aspekte immer darüber klar zu werden, ob mit einem bereits vorgefaßten Klischee vom Künstler operiert wird, oder ob die vorgefundene Künstlerbiographie bereits ein auf bestimmte Stereotypen hin gestyltes Konstrukt darstellt, um bestimmte Erwartungshaltungen zu befriedigen. Mit der Untersuchung von Kris und Kurz hat die kritische Beleuchtung der vor allem in der Renaissance geprägten und später in der Romantik noch verstärkten Vorstellung vom Künstler als Kreator begonnen, in der bezeichnenderweise keine Künstlerinnen vorkommen. Die künstlerischen Fähigkeiten des realistischen und darüber hinaus Stimmungen vermittelnden Abbildens wurden durch genialische Begabung und mythische Erfahrungen in der Kindheit erklärt. Dazu gehören die Topoi vom »jungen Künstler als Ziegenhirten« oder vom »Wunderkind« ebenso wie die Fähigkeit, täuschend echte Darstellungen auf der Leinwand zum Leben zu erwecken. Die Würzung der Biographie mit…

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