Magazin: Messen & Märkte · von Silke Müller
Magazin: Messen & Märkte , 1994

Silke Müller
Das Hamburger Wunder

Die ART Hamburg

Es beginnt wie das Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen: Rudolf Zwirner beschließt seine überaus erfolgreiche Laufbahn als Galerist an seinem 60. Geburtstag und macht sich auf den Weg nach Hamburg, um die längst von allen Seiten abgeschriebene Kunstmesse ART völlig umzukrempeln. Ein scheinbar aussichtsloses Unterfangen, zumal Zwirner selbst eingesteht, daß es keinen Bedarf für eine weitere Messe gibt – es sei denn, sie erfülle folgende Bedingungen: Erstens müsse sie Information und Qualität bieten, zweitens eine von ihm handverlesene Schar von Galerien präsentieren und drittens von einer konzertierten Aktion aller Kunstvermittler der Stadt begleitet werden, die zum Ausdruck bringen müsse, daß Hamburg diese Messe wolle.

Und dann passiert, was Zwirner das »Hamburger Wunder« nennt: Kulturpolitiker und Repräsentanten öffentlicher und privater Kultur sitzen an einem Tisch und organisieren diese konzertierte Aktion. Kunstverein, Kunsthalle, der Chef der Deichtorhallen, die Kulturfabrik Kampnagel, das Museum für Kunst und Gewerbe und die privaten Galerien entwickeln eigene Projekte, die sich dem Schwerpunkt Osteuropa anpassen oder ihn ergänzen.

Ein cleverer Schachzug: Zwirner setzt auf die Zugkraft großer Namen und Institutionen und den Werbeeffekt eines »Erlebniswochenendes«, das die typische Spezies der Kulturtouristen anzieht. Und wer erst mal in Hamburg ist, der wird alle Ereignisse »mitnehmen« wollen, so daß sich die einzelnen Ausstellungen gegenseitig Zuschauer liefern werden. 20 000 Besucher hält Zwirner für realistisch. Zum Vergleich: Die ART Frankfurt schaffte 14 000.

Trotzdem wird das Hamburger Messewunder mit Skepsis erwartet. Das größte Interesse gilt den Galerien aus Osteuropa: Zwirner kündigt aktuelle Kunst aus…


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