Martin Blättner
Das Gedächtnis öffnet seine Tore
Städtische Galerie im Lenbachhaus, 23.10.1999 – 19.3.2000
Kunstbau, München, 23.10.1999 – 20.2.2000
Die berühmten Toten, ihr schreckliches Ende und ihre manipulierte Austauschbarkeit. Das Künstlerduo Angelika Bader und Dietmar Tanterl haben Jean Paul Marat und Uwe Barschel auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert: auf den des Ablebens in der Badewanne. Der Tabubruch wird durch den fast zynischen Text “ES LEBE DER TOD” auf der Mitteltafel des 3-teiligen Cibachrome-Bildes eher noch verschärft. Die Gegenüberstellung wirkt reichlich provokant, wohl gerade auch deshalb, da Marat durch die klassizistisch gemalte Interpretation von Jacques-Louis David regelrecht zu einem ,,Heiligen der Revolution” stilisiert wurde, während der mysteriöse Tod des skandal-umwitterten CDU-Politikers Barschel hingegen scheinbar als unverfälschtes Reportage-Foto dokumentiert ist. Trotz der gestalterischen Eingriffe – Bader und Tanterl haben von den Vorlagen bestimmte Bildteile ausgewählt und den Ausschnitt festgelegt – behauptet sich der Kontrast zwischen künstlerischer Beschönigung und authentischem Realismus, obgleich wir inzwischen wissen, dass auch Fotos nach Belieben manipuliert werden können. Die suggerierte Vergleichbarkeit zweier grundverschiedener Situationen hinterfragt zugleich die mögliche Einheit gänzlich andersartiger Verfahrensweisen der Medien Malerei und Fotografie. Und eben der Spannungsreichtum dieser Gegensätze ist einer der Prüfsteine, die die Städtische Sammlung beim Ankauf der Gegenwartskunst für des Lenbachhaus etwa seit Anfang der siebziger Jahre beachtet hat. Um dies zu erklären, muss man etwas ausholen und sich auf die Sammlungs-Geschichte dieses Museums einlassen. Bekanntlich bildet der “Blaue Reiter” das Herzstück der Bestände, seitdem Gabriele Münter die Städtische Galerie mit ihrer Schenkung bedachte. Das seinerzeit von den Künstlern verfasste Programm und…