Susanne Düchting
Das Ganze scheint realer als seine fiktiven Teile:
Kartografische Arbeiten von Wim Delvoye, Michael Müller und Susanne Weirich
„Macht keine Fotos oder Zeichnungen,sondern Karten!“
(Deleuze/Guattari) 1
Karten verzeichnen in kulturell vereinbarten Codes mit mehr oder minder großer Präzision topografische Realitäten. Zugleich produzieren sie aber auch ein Bild, das eine ebenso große Präsenz hat, wie das, was sie abbilden. Die Autorität der Karte beruht auf ihrer planmäßigen Gitternetz-Konstruktion, die als Emblem der Moderne postuliert, dass sich nichts verändert, sondern alles seinen festen Platz hat. Zugleich hat die Karte durch ihre offenen Strukturen mehrdeutige Verbindungen zur Realität der Welt: „Die Karte ist offen, sie kann in allen ihren Dimensionen verbunden, demontiert und umgekehrt werden, sie ist ständig modifizierbar.“ (Deleuze/Guattari)2. Zwischen unserer Wahrnehmung der Welt und der kartografischen Aufnahme herrscht eine große Diskrepanz, und das nicht zuletzt deshalb, weil der skopische Blick des Menschen am Horizont endet und der kartografische Blick ein „göttlicher“ ist. Karten sind aber keine Abdrücke oder gezeichnete Kopien der Welt, sondern ihre Interpretation und Projektion. Die Kartierung geht den genannten Aktionen voraus, folgt ihnen aber zugleich auch; damit ist sie mehr als ein „Simulacrum“, das nach Baudrillard als „Präzession“ eines Trugbildes dem Territorium vorausgeht und das Gebiet hervorbringt.3 Beim Produzieren und Rezipieren von Karten entstehen wiederum weitere „Welten“ im Kopf. Ihrem Wesen nach sind Karten abstrakt, im Grund genommen nichts als Annäherungen, wie hoch auch immer der Grad ihrer wissenschaftlichen und elektronischen Präzision sein mag. Christine Buci-Glucksmann weist darauf hin, dass „[…] diese Abstraktionen unreine analoge Bilder [erzeugen], die eine Kopplung…