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Ausstellungen: Frankfurt a.M. · S. 356 - 357
Ausstellungen: Frankfurt a.M. , 1990

Christian Huther
Das Fragment – Der Körper in Stücken

Schirn-Kunsthalle, Frankfurt/Main, 24.6. – 26.8.1990

Michelangelo war es, der sich weigerte, den aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert stammenden Torso vom Belvedere, dessen Arme abgeschlagen sind, zu ergänzen. Er betrachtete das antike Fragment als eigenständiges Kunstwerk, denn, so Michelangelo, der ehrfürchtig vor der verstümmelten Plastik gekniet haben soll, wer den Torso geschaffen habe, sei weiser als die Natur. Dem fragmentarischen Körper in der Skulptur, sei er unvollständig erhalten oder bewußt unvollendet geblieben, war eine große Schau in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle gewidmet. “Das Fragment – Der Körper in Stücken” versammelte etwa 230 Marmor-, Bronze- und Gipsplastiken sowie 50 Gemälde, Zeichnungen und Fotografien. Anders als im Pariser Musée d’Orsay, wo die Ausstellung konzipiert wurde und ihren Ausgang nahm (vom 5. Februar bis 3. Juni 1990), verhalf man den Stücken dankenswerterweise zu Tageslicht. Sinnigerweise hievte man, ähnlich wie in Paris, die Torsi auf hohe Eisenträger und Steinplatten, die Guillotinen nicht unähnlich sahen.

Die Schau begann mit dem erwähnten – leider nur als Gipsabguß aus dem 20. Jahrhundert vertretenen – “Apoll vom Belvedere” und reichte über mittelalterliche Reliquienschreine, Ex-voto-Opfer, Embleme, Atelierrequisiten und ein Wachsfigurenkabinett bis zu Beispielen für zerstörte bzw. wieder restaurierte Skulpturen und verwies zugleich auf eine immer wieder aufkeimende Torso-Romantik. Der Schwerpunkt aber galt Auguste Rodin, mit einem Ausblick auf Aristide Maillol, Henri Matisse und Wilhelm Lehmbruck. Wer das Körperfragment nicht am Kanon der klassischen Kunst, am intakten Menschenbild mißt, tauchte nicht in dieser Schau auf. So wurden die Künstler, die sich mit außereuropäischer Bildnerei beschäftigten und…


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