Michael Köhler
Das Fotogramm
Kunsthaus Zürich, 31.3. – 27.5.1990
Musée d’Art Moderne de la Ville, Paris (März 1991)
Martin-Gropius-Bau in Berlin (Mai/Juni 1991)
Floris M. Neusüß ist Künstler, sein Atelier das Fotostudio. Dort arbeitet er mit Lampen und Fotopapier, aber ohne Kamera. Denn seine Spezialität ist die kameralose Fotografie, genauer: das Fotogramm.
Das Fotogramm-Verfahren basiert auf einem einfachen Prinzip. Belichtet man Fotopapier, färben sich die Jodsilberverbindungen in seiner Oberfläche schwarz. Nur da, wo Gegenstände das Licht ganz oder teilweise absorbieren, bleibt die Schicht weiß oder färbt sich zu Abstufungen von Grau.
Die Kenntnis des Prinzips, daß sich Jodsilber unter Lichteinwirkung schwärzt, ist sogar älter als die Kamerafotografie. Seine erste Publikation – durch Johann Heinrich Schulze, Professor für Anatomie und Wundarznei in Altdorf bei Nürnberg – datiert aus dem Jahre 1725. Sie blieb freilich folgenlos. Aber auch William Henry Fox Talbot, einer der Erfinder der Kamerafotografie, wußte keinen praktischen Nutzen für das Prinzip, als er es 1835 erneut entdeckte.
So blieb es seinem dritten Entdecker vorbehalten, dem Fotogramm einen Anwendungsbereich zu eröffnen. Und da dieser Entdecker Man Ray hieß, lag dieser Anwendungsbereich im Terrain der bildenden Kunst, wo das Verfahren seit 1922 eine erstaunliche Karriere erleben durfte.
Ohne Floris Neusüß’ Beitrag zur Ästhetik des Fotogramms hier in irgendeiner Weise schmälern zu wollen, kann doch behauptet werden, daß sich unter den Vorbildern und Vorläufern, die seinen Beitrag ermöglichten, etliche der illustersten Namen der modernen Kunst befinden. Neben dem von Man Ray Namen wie Schad, Moholy-Nagy, Lissitzky, Rodtschenko, Schwitters, Hausmann und Picasso, um nur einige wenige zu nennen.
Nun ist Floris…