Werner Schroeter
Das eigentlich lebbare Leben
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Was an Werner Schroeter, dem Opernliebhaber, fasziniert, das ist die Verstrickung von Leben und Werk. Das ewige Pochen auf die Authentizität von Erfahrung. Nicht zuletzt die ungeheure, nie verglühende Lebenssucht. Sowie der Wunsch nach Selbstbelebung durch den Austausch mit anderen. So belesen wie kaum ein anderer Regisseur, bezeichnete er Jean Genets Brief-Essay Der Seiltänzer einmal als sein künstlerisches Credo. In einem Gespräch mit Daniel Schmid sprach er davon, “dass die Homosexualität deshalb so attraktiv ist für das, was man ‘Künstler’ nennt, weil der Künstler von vornherein ein materialistisches Wertsystem ablehnt, irgendwo; dass gerade bei jemandem, der kreativ ist, sich doch so ‘ne innere Abwehr entwickeln muss dagegen, dass er mit ‘ner Frau fickt als Mann, weil das einfach das Gesellschaftsnormale ist, also das, was dem System gemäß ist, in dem man lebt und gegen das man kämpft. Insofern sehe ich die Homosexualität überhaupt nicht als psychologisches Faktum, sondern eher als ‘ne Reaktion auf ‘ne materialisierte Umwelt.” So äußerte sich Werner Schroeter vor gut zwei Jahrzehnten. Dem 1945 in Thüringen geborenen Theater- und Filmregisseur, oft als Exzentriker beschrieben, dabei von einer großen Radikalität, ist es oft gelungen, aus den Trümmern der Hochkultur mit seinen Filmen Modelle zu einer ruinösen, nie ruinierten Gegenkultur zu bauen”, so Karsten Witte in seinem Aufsatz Versteckte Zeichen und Signale. Nicht nur als Filmregisseur geht es ihm um Enthierarchisierungen, um Entgrenzung und darum auch um Grenzüberschreitungen, wodurch erst der Boden der Freiheit betretbar wird. Seine Aggression gegen Macht…