Friedemann Malsch
Das echte Publikum
Kunst wird in Katalogen und Büchern dokumentiert. Das Geschehen des Kunstbetriebes in der Regel durch Zeitschriften und professionelle Fotografen. Benjamin Katz z. B. zeichnet sich durch Fotokolumnen im WOLKENKRATZER aus, die wohl in erster Linie dazu dienen, die Stars des Kunstbetriebes altern zu sehen, denn immer wieder sieht man dieselben Gesichter.
Das Publikum aber dokumentiert niemand. Nur selten tritt es exemplarisch auf die Bühne der Fotografie. Franz Fischer, Beamter, leidenschaftlicher Hobbyfotograf und Mitglied des Bonner Kunstvereins, förderte kürzlich zu seiner Ausstellung in der Galerie am Schloß in Brühl mit Fotos aus der Künstlerszene ein solches Dokument zutage. Die auf diesem Foto festgehaltene Künstlerin Gina Lee Felber steht laut Bildunterschrift hier zusammen mit einem “begeisterten Besucher der Ausstellung DER HANG ZUM PATHOS im Kölner Stollwerk” (Nov. 1986) vor einem ihrer Werke. Der Besucher scheint unbekannt, dabei stellt er so etwas wie das ideale Publikum auf Ausstellungseröffnungen dar; eine Persönlichkeit aus der Kölner Südstadt, Fuzzy Jones. Eine schillernde Figur, im Pennerheim oder auf dem Parkplatz davor zu Hause, gehörte er fast zum Inventar des ehemaligen Kulturzentrums in der alten Stollwerk-Fabrik, und noch heute kann es vorkommen, wenn man ihn in der rechten Stimmungslage antrifft, daß er einen seiner Refrains anstimmt: “Unser Stollwerk… es lebe die Revolution”, dazu die Faust ballend wie auf diesem Foto. Fuzzy Jones verkörpert die kämpferische Geste des engagierten Publikums, das sich im Trubel des Kunstrummels verbissen den Erlebnischarakter erhalten möchte, der einst das Aufeinandertreffen von Kunstwelt und Gesellschaft, die Vernissagen, prägte. Das Publikum muß sich…
