Helmut Draxler
Das Brennende Bild
Eine Kunstgeschichte des Feuers in der neueren Zeit
Vorwort
Kunstgeschichte des Feuers ließe sich schreiben als Geschichte eines Temperaments. Ängste und Traumata wären zu schildern, von Neigungen und Faszinationen rund um ein archaisches Phänomen müßte erzählt werden. Zu den inneren Dispositionen, zumeist von träumerischen, phantasierenden, berauschenden Naturen, würden äußere, historische Rahmenhandlungen treten: das Temperament, erfüllt in seiner Zeit.
Undenkbar, daß etwa David, Veronese oder Constable das Feuer gemalt hätten; ebensowenig vorstellbar, daß eine der großen »klassischen« Perioden dem flammenden Element besondere Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Aufbruchsund Untergangsvisionen ließen sich weit besser mit ihm in Einklang bringen, Epochenschwellen, Umwälzungen usf.
Doch damit nicht genug. Der Verdacht sei ausgesprochen, daß die ursprünglich kulturstiftende Leistung der Bezähmung und Beherrschung des Feuers nicht nur eine technische Errungenschaft war, sondern ebensogut eine psychologische, die, als Triebabwehr verstanden, einen rigorosen Schritt nach vorne, zur Rationalisierung aller Lebensvorgänge bedeutete. Von nun ab wurden Kulturleistungen immer als Ausgrenzungen des Wilden, Verstörenden und Unzähmbaren begriffen, denen, in der Hölle des Mittelalters etwa, ein festumrissener Bereich zugewiesen wurde.
Erstmals im Manierismus wurde solche Ordnung gründlich verunsichert und irrlichternd machte die Nachtseite von Kultur sich bewußt. Der flammende Widerschein von kulturell inwendiger Zerstörung beleuchtete die historische Szenerie; höfische Verfeinerung, religiöse und soziale Turbulenzen formulierten ein frühes Unbehagen in der Kultur.
Die Analogien zwischen Manierismus und Moderne dürfen dennoch nicht überzogen werden, denn am Ende des 18. Jahrhunderts wandelte sich jenes Kulturverständnis, dem der Manierismus bloß seine Kehrseite entgegenhielt, gänzlich. Von nun ab wurde nicht mehr abgegrenzt, sondern vereinnahmt. Selbst die Reinigung von allem…