Christian Huther
Das Bild des Körpers
Kunstverein, Frankfurt/Main, 4.8. – 19.9.1993
Der menschliche Körper ist im Aids-Zeitalter ein wichtiges künstlerisches Motiv. Dabei liegen Lust und Abscheu oft nahe beieinander, wie Georges Bataille konstatierte. Und die Angst vor dem außer Kontrolle geratenen Körper sitzt tief. Der Frankfurter Kunstverein setzte sich in einer Ausstellung mit dem “Bild des Körpers” auseinander, wozu 15 international renommierte Fotografen eingeladen wurden. Sie lieferten überwiegend inszenierte Aufnahmen zu den Themen Eros, Sexualität und Pornographie ab. Zuweilen wird der Körper aber auch bis ins Gehirn und in den Darm erkundet oder als Zeichensystem gedeutet. Die Qualitätssprünge sind jedenfalls groß, manchem Gemüt ging einiges auch bis an die Grenzen der (künstlerisch zu rechtfertigenden) Intimität.
Der 73jährige Engländer John Coplans fotografiert seinen nackten Körper und setzt davon Ausschnitte zu neuen großformatigen Selbstporträts zusammen. Er will das Altern dokumentieren, spart aber die Abbildung der Gesichtszüge aus. Solch trotziges Aufbegehren gegen das jugendliche Schönheitsideal wird im Kunstverein konfrontiert mit einer breiten Leinwand des Obergurus der Sex- und Kitschszene, Jeff Koons, der sich mit seiner inzwischen verflossenen Gespielin Cicciolina aufs deutlichste vergnügt.
Die Kontraste werden noch schärfer gestellt. Cindy Sherman hat große Puppen mit austauschbarem Geschlecht und umgehängten Brüsten fotografiert. Jeglicher Reiz scheint verloren, Sexualität ist nur noch etwas Mechanisches. Ein eigenes Kabinett erhielt die 31jährige Pariserin Bettina Rheims, die mit geradezu manischer Begierde weibliche Akte in anonymen Hotelzimmern festhält. Die farbigen Aufnahmen vermitteln ein gespaltenes Bild, treten doch die Frauen sehr selbstbewußt und fordernd auf und laden damit die kühle Atmosphäre wieder erotisch auf.
Das wohl aggressivste…