Dan Graham
»Rock My Religion«
Dan Grahams cross-over aus Recherche, Poptheorie und genrelosem Produzieren verhalf ihm zum Geheimtip-Status bei frei vagabundierenden Kunstakademieabbrechern. Seine Interessen für Videoperformances, Post Punk oder Manhattans Hochhaus-Arkadien und die an Dean Martin, Patti Smith und Malcom McLaren geschulten Einsichten machten ihn zum ‘legendären Typen’. Die unter dem Titel ‘Rock My Religion’ kürzlich herausgegebene Textsammlung könnte man also durchaus als ‘Cultural Studies’ bezeichnen, jenes in Europa weitgehend unbeachtete Wissenschaftsgenre der Erkundung kultureller Produktion, welches der Kunstbegleiter Graham schon praktizierte, bevor diese Bezeichnung existierte. So werden Pollock-Gemälde bei ihm nur als doppelseitiger Artikel der Zeitschrift ‘Life’ reproduziert; und Van Gogh heißt in Wirklichkeit Kirk Douglas: “Art is a social sign”.
Grahams Essays konstituieren “eine Geheimgeschichte der Transformationen kapitalistischer Kultur im Nachkriegsameri- ka, betrachtet durch die kulturellen Manifestationen der Kon- zeptkunst, Rockmusik, und postmoderner Architektur”, formu- liert in seinem Vorwort der Herausgeber Brian Wallis. Wer allerdings direkte Kapitalismuskritik er- wartet, wird ent- täuscht: Was Dan Graham in ‘Eisenhower and the Hippies’ an den Sonntagsmalereien des Präsidenten liebt, nämlich die Indifferenz gegenüber seinen Bildgegenständen, zieht auch er als Betrachterhaltung vor.
“Eine neue Klasse, die sich Marx nicht vorgestellt hat: Jugend.” Von Anbeginn begleitete Dan Graham aus den USA die vorwiegend britische Punk- und Wavebewegung und ihr Pendeln zwischen Kapitalismuskritik und Marktdurchdringung. In ‘Punk as Propaganda’, einem Diavortrag mit Musikausschnitten, der 1979 erstmals abgedruckt wurde, stellt er Devos Disco-Beat unterm Stones-Remake ‘Satisfaction’ – als Antwort auf den Versuch der Plattenindustrie, Minoritäten (Punk, Dance, Hispanic music) in getrennte Märkte aufzuteilen – einem Foto gegenüber, das die…