Markus Brüderlin
Dan Flavin
Kunsthalle, 25.2.-16.4.1989
Wie ich schon seit Jahren sagte, glaube ich, daß die Kunst ihr vielgerühmtes Geheimnis ablegt zugunsten des Common sense von sauber und kühl ausgeführter Dekoration. Symbolisierung schwindet – wird unbedeutend. Wir dringen zur ‘no art’ hinunter – dem gemeinsamen Empfinden einer psychologisch indifferenten Dekoration -, einem neutralen Genuß am Sehen, der jedermann vertraut ist.”
Die pessimistisch-kritische Ten-denz dieser Bemerkung, die der auch sonst kommentarfreudige Amerikaner schon 1966 äußerte, verdeckt die Vielschichtigkeit der Prophezeiung. Neben der unverkennbaren Kritik am Kulturbetrieb sind darin nämlich auch perspektivische Ansätze einer neuen Kunst enthalten, die ihre Funktion nicht mehr primär im Psychologisieren und im Schockerlebnis erfüllt sieht. Dan Flavin war als früher Mitstreiter der Minimal art wesentlich an der Revolutionierung des Bild- und Skulpturbegriffs beteiligt und entwickelte aus den autonomen Bedingungen seiner rationalen, künstlerischen Konzeption Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Kunst als Inszenierung. (Mit “Inszenierungen” seien hier definitionshalber künstlerische Manifestationen gemeint, die sich mit den spezifischen Bedingungen der Umgebung auseinandersetzen und den jeweiligen (Ausstellungs-)Raum in einen Ort verwandeln.) Der Begriff ist gerade auch heute im Zusammenhang mit der erwähnten Kulturbetriebsamkeit virulent geworden, und eine klärende Differenzierung zwischen “Inszenierung als Haltung” und “Inszenierung als Unterhaltung” ist auch hinsichtlich der hochästhetischen Installationen der Minimal art, die zunehmend eine neutralisierende Publikumsakzeptanz genießen, notwendig. Nehmen wir also Flavins eigene Bemerkung von 1966 und prüfen wir daran nicht nur den aktuellen Zeitgeist, sondern auch Bedeutung und Wirkung eines Werkes, das in der Anwendung immer wieder ähnlicher Diagramme seit Beginn der 60er Jahre sich bewußt einer fortschreitenden Entwicklung…