Marius Babias/Claudia Wahjudi
Daimler-Benz-Sternschnupppe
Berliner Bauherren fördern Kunst,um Büroflächen loszuwerden
Über Berlins Baustellen kreisen schräge Vögel, die Pleitegeier. Die Folge des gründerzeitlichen Baubooms nach der “Wiedervereinigung”: riesige Büroflächen, sinkende Bodenpreise und Büromieten. Um die Milliardengräber loszuwerden, verwandeln sich immer mehr Baulöwen in kulturbeflissene Miezekatzen. Ob das “Pyro Space Ballet” am Potsdamer Platz, das mit Beständen aus der Sammlung von Ulla und Heiner Pietzsch bestückte “Haus Pietzsch” Unter den Linden oder das von Jasper Morrison und Katharina Sieverding ausgestattete “art’otel” in Potsdam: Mit Sonderkonditionen, aber auch mit Ausstellungen und Spektakeln (“Architainment”) sollen Mieter geworben werden.
Diese sind rar, denn die schätzungsweise 1 Mio. qm allein in diesem Jahr fertiggestellten Büroflächen werden nicht gebraucht. Berlins Senatsbaudirektor Hans Stimmann hat sich mit seiner Bedarfsprognose “von ca. 12 Mio. qm Flächen bis zum Jahre 2010” gründlich verspekuliert. Doch die Bauwut wird weiter forciert: Allein im Mai ’95 genehmigte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Neubauten öffentlicher und privater Bauherren mit einem Volumen von 152.700 qm Büronutzfläche. 1994 waren es insgesamt 815.700 qm. Zur ökonomischen gesellt sich auch eine architektonische Pleite, denn die von den obersten Stadtplanern, Stimmann und Volker Hassemer, favorisierte Leitlinie der “Neuen Berlinischen Architektur” – ein preußisch-steinernes Stilmischmasch aus “Kritischer Rekonstruktion” und “Rückbesinnung auf die Parzelle” – beflügelt einen bauhistorischen Konservatismus. Rem Kohlhaas und Daniel Liebeskind wähnten sich auf einer “schwarzen Liste” und verließen enttäuscht die Stadt.
Berlin – der größte Baukasten der Welt. In der Friedrichstraße, am Potsdamer Platz und am Checkpoint Charlie entstehen abrasierte Sandburgen, am Alexanderplatz sollen die Plattenbauten aus DDR-Zeiten Wolkenkratzern weichen….