MARTIN SEIDEL
Cruel and Tender
Zärtlich und Grausam – Fotografie und das Wirkliche
Museum Ludwig, Köln, 6.12.2003 – 18.2.2004
You have to be an artist and not only a photographer to have your work in the Tate.” Wenn es einen Preis für Ignoranz gäbe, der ehemalige Museumsdirektor der Tate, Alan Bowness, dem diese Worte vor zwanzig Jahren, wohl kaum im Affekt, entfuhren, hätte ihn verdient gehabt. Doch die unglückliche Rezeptionsgeschichte der Fotografie zwischen bräsiger Geringschätzung und exaltierter Hochachtung perpetuiert sich. Noch immer lässt man Fotos nicht sein, was sie sind: eine von vielen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, die nicht nach dem Medium zu beurteilen ist, sondern nach der Qualität der einzelnen Bilder. Noch bis in jüngste Ausstellungsprojekte hinein fühlen sich Kuratoren bemüßigt, den Realismus zu entschuldigen, nicht zuletzt auch die scheinbar unreflektierende Schnappschuss-Schnelligkeit, mit der der Fotograf Bilder hervorbringt.
Das Vorurteil, Fotografie sei eine minderwertige seelenlose Apparatekunst, der es nur selten gelingt, das grundsätzlich Unkünstlerische der Bildproduktion zu kompensieren, steht im Raum, erschüttert zwar, doch es steht. Und so gilt es noch immer, den Vorwurf platter Wirklichkeitsabbildung abzuschmettern. Und das geschieht gewöhnlich mit dem Hinweis, dass auch die zu banaler Abbildung gebrachte Wirklichkeit eine doch subjektiv vermittelte Wirklichkeit und somit kein bloßes Abbild mehr ist.
Wahrscheinlich standen auch die Kuratoren der Ausstellung “cruel & tender”, die als Kooperationsprojekt des Museum Ludwig und der Tate Modern nun in Köln zu sehen ist, noch und besonders unter solchem Legitimationszwang: Emma Dexter in London, wo die Fotografie die längste Zeit keine Lobby hatte, sicherlich mehr als Thomas Weski (bis…