Doris von Drathen
Craig Wood
Laure Genillard Gallery, Februar 1990
Kurz bevor der sprichwörtliche Tropfen das Faß zum Überlaufen bringt, ist die Wasseroberfläche gewölbt, als wäre sie von einer Haut überzogen. Dieses Phänomen der konsistenten Wasseroberfläche nutzen im Hochsommer jene langbeinigen Fliegen, die so leicht sind, daß sie auf der Wasserhaut hüpfen können, ohne einzutauchen.
Wenn Craig Wood Plastikhüllen mit Wasser gefüllt auf dem Fußboden ausbreitet, spannt er diesen Bogen zwischen Fragilität, Unberührbar- beziehungsweise Unbetretbarkeit auf der einen und Konsistenz einer Materie, von der man Konsistenz nicht erwartet, auf der anderen Seite. Es ist allerdings eine scheinbare Unbetretbarkeit. Die flachen Wasserkissen funktionieren etwa wie ein auf den Boden gezeichneter Kreidekreis, dem die meisten ausweichen würden. Die Wasserobjekte des 30jährigen Engländers können sogar tollende Kinder aushalten und hinterher wieder die ursprüngliche Form einnehmen. Vielmehr als die scheinbare Fragilität und Unberührbarkeit interessiert den Bildhauer das materialisierte Nachzeichnen eines Raumes und dessen Bodenbeschaffenheit. Die geschmeidigen Wasserkissen sitzen dem Raum wie “angegossen” – sie schmiegen sich dem Boden an, spielen mit den Farbreflexen des grauen Linoleums, zeichnen weich Linien und Einteilungen nach, funktionieren wie ein Grundriß nach eigenen, körperhaften Gesetzen: wie eine Body-art für einen Raum. Und ein anderer Begriff drängt sich immer wieder auf: der Begriff vom “nassen Gewand”, der bei antiken Skulpturen die Entdeckung fließender, die Körperformen begleitender Kleiderhüllen markiert.
Craig Wood arbeitet zwar an der Phänomenologie eines Materials, steht also zumindest im Umkreis von Rückriems Auseinandersetzung mit dem Stein oder von Ruthenbecks Formanalysen von Aschehaufen oder Stoff, aber anders als sie ist er an dem…