Martin Seidel
Cosima von Bonin’s Cut! Cut! Cut!
Museum Ludwig, Köln, 5.11.2011 – 13.5.2012
Ein akut an Übelkeit leidendes Küken sitzt auf einer Rakete und kotzt sich auf die Hühnerbrust. Auf einem Schiedsrichterstuhl thront ein bleicher Pinocchio; so lange braucht er für seine zweifelhaften Entscheidungen, dass einer Spinne Zeit bleibt, sich an dessen meterlangen Nase abzuseilen. Einen polyfill-weichen Mohair-Velours-Hasen hat es von der Bank gehauen, weil er keine Energie aufbrachte, sich darauf zu halten. Den Helden von Cosima von Bonins Bildwelt traut man nicht viel zu, und die Ponderation ist dabei das geringste Problem. Sie sind schwerfällig, offenkundig Sand im Getriebe der Volks- und Betriebswirtschaften, zu nichts zu gebrauchen – außer zu Kunst. Denn Kunst – so steht es für den, der es nicht wusste, auch auf einem Schild zu lesen – ist nicht Naturwissenschaft („Art is not a natural science“), nicht zweck- und zielorientiert, sondern das Gegenteil: Sie ist nett anzusehen, herausgeputzte Zwecklosigkeit, gefeierte Ermattung, auf den Sockel gehobene Faulheit, attraktiv zurecht gemachte Langeweile und Nichtstun. Und so träge sie bei Cosima von Bonin dargestellt ist: als Masse greift Kunst sehr virulent aus – wie die aus bunten Stoffen gebildete Krake, deren Arme in alle Richtungen weisen und schönste Voluten bilden.
Cosima von Bonins aus Pop und Underground erwachsene Ästhetik beißt sich durchaus lust- und absichtsvoll in den eigenen Schwanz. Die Antiästhetik-Ästhetik verweigert sich dem Kunstsystem und passt sich ihm gleichzeitig an, um sich wieder zu entziehen und sich erneut anzupassen. Den Eindruck gewinnt man auf der letzten documenta in Kassel, auf…