MARCUS LÜTKEMEYER
Cooler Shaker
Nine Budde “Lovebattle”
Kunstverein Arnsberg, 7.9. – 5.10.2003
Per Definitionem gilt der “Sturm und Drang” als Frontalangriff gegen die zum kalten Rationalismus verkommene, gesellschaftlich unproduktive Aufklärung. So wurde die Vernunft nicht länger als Werkzeug zur Befreiung von Ohnmacht und Aberglaube angerufen. Vielmehr erwies sich die degenerierte Vernünftelei als ein Joch, das die lebendige Regung der Seele unterdrückte. Im Mittelpunkt der neuen Gesinnung stand das Genie, verkörpert als unabhängiges Individuum, das in der lyrisch aufgeblasenen Figur des Prometheus seinen vollkommenen Prototyp fand: ein großer Kerl, nicht lau und elegant, sondern vital, erdverbunden, aufbegehrend, oft ungehobelt und stets unmittelbar – kurz: kraftvoll und kompromisslos. Entscheidend war dabei die Tiefe seines Gefühls, die sich ebenso in schrankenloser Liebe wie in rasender Verzweiflung offenbaren konnte.
Authentisches Erleben und romantisch verklärte Sehnsuchtsmotive sind auch Kategorien mit denen sich Nine Budde im Kunstverein Arnsberg auseinandersetzt. “Lovebattle” betitelt eine offene, kommunikativ ausgerichtete und interaktiv gedachte Versuchsanordnung, die sich in den Ausstellungsräumen und im benachbarten Außenraum, auf dem streng klassizistisch angelegten Neumarkt ausbreitet.
Aus Weimar, der Wiege des Sturm und Drang kommend, hat sich Nine Budde in der touristisch verbrämten Kulisse der Sauerlandmetropole die Untersuchung sozialer Strukturen der lokalen Jugendkultur zur Aufgabe gemacht. Häufig sind Jugendliche ungeachtet regionaler Stilblüten in einer Art International Style gleichgeschaltet, mit dem sie sich optisch und mental gegen drohende Repressalien und lähmende Formalismen der Erwachsenenwelt behaupten wollen. Dabei werden Subkulturen aber noch vor ihrer Entstehung marktstrategisch einverleibt, um sie dann als konsumdefinierte, vorgefertigte Leihidentitäten im freundlichen Warenhaus des geschmeidigen Zeitgeistes gewinnbringend feil zu…