ANDREAS BRILL UND MICHAEL DE VRIES
Consuming CLAUDIA:
ZWISCHEN NETZ-»ÄSTHETIK« UND VIRTUELLER PRODUKTION
I. Virtualität1
So schnell geht das heutzutage: Kaum mehr als 15 Jahre nach seiner technischen Geburtsstunde (1982) ist das Internet zu dem Technikmythos der Jahrtausendschwelle avanciert.2 Auch eine medienwirksame Semantik ist bereits gefunden: Virtualität ist das Zauberwort, das das Netz der Netze auf seinem Weg in die Zukunft der Informationsgesellschaft begleiten soll. Schon wird an allen Enden der Gesellschaft mit dem Internet gerechnet: Während in der Kunst der “digitale Schein” einer neuen Ästhetik beschworen wird3, soll die “virtualisierte Netzökonomie” die lang erhoffte Initialzündung einer neuen Generation wirtschaftlicher Produktions- und Konsummöglichkeiten erschließen.4
Solch weitreichenden Zukunftsentwürfen steht eine bemerkenswerte Banalität aktueller Netzkultur gegenüber. So dominiert im derzeit expansivsten Bereich des Internet – im World Wide Web (WWW) – keineswegs die Ästhetik von “Immersion” oder “technischer Interaktivität”.5 Statt dessen spiegelt sich hier vor allem die in das neue Medienfeld prolongierte Pop-Kultur und mit ihr der allseits bekannte “Reiz des Trivialen”. Das zeigt sich in empirischen Untersuchungen6 wie auch bei einer exemplarischen Befragung des Netzes selbst: Während die Suchmaschine FIREBALL z.B. für CLAUDIA SCHIFFER die stolze Trefferquote von 46.314 relevanten Web-Sites registriert, erzielen die preisgekrönten Avantgarde-Netzkünstler KNOWBOTIC RESEARCH gerade einmal 356 “Hits”.7
Ebenso dürftig fallen erste Bestandsaufnahmen wirtschaftlicher Nutzungsmöglichkeiten aus. Zwar entwickelt sich im Internet langsam ein globalisiertes Handelsnetzwerk (im sogenannten E-commerce wurden 1995 geschätzte 300 Millionen US$ umgesetzt), aber eine neue – “virtuelle” – Produktwelt ist z.Zt. noch nicht einmal als Randphänomen der globalen Wirtschaft beobachtbar. Selbst die erfolgsverwöhnten Stars und Sternchen der Pop-Kultur können…