CHRISTIAN HUTHER
Cildo Meireles
“Occasion”
Portikus, Frankfurt/Main, 31.1. – 7.3.2004
Gelegenheit macht Diebe” heißt es im Sprichwort. Eine “Occasion”, eine Gelegenheit oder Möglichkeit, einen Anlass, ein Bedürfnis oder, je nach Sprache und Übersetzung, sogar eine Notwendigkeit, nennt auch der Brasilianer Cildo Meireles seine Installation. Es ist eine Art sozialer Versuchsanordnung, die den Geist der frühen 70er Jahre atmet, aber noch immer aktuell ist und einigen Witz hat. Tatsächlich stammt die Idee aus dieser Zeit, aber Meireles hat sie erst jetzt im Frankfurter Portikus realisiert. In einen weißen Raum stellte er eine mit Euro-Scheinen und -Münzen gefüllte Schale. Aber die Spiegelwände reflektieren nicht nur vielfach die Schale, sie halten auch jeden Schritt, jede Handbewegung und jeden Blick fest. Man fühlt sich unwohl oder beobachtet, auch wenn man allein ist. Dieses Gefühl bestätigt sich im Raum daneben, der über einen gesonderten Eingang zugänglich und völlig leer ist. Denn der vermeintliche Spiegel an der Wand zum ersten Raum entpuppt sich als Fenster zum Überwachen. Je nachdem, welchen Raum der Besucher betritt, wählt er auch seine Rolle als Beobachteter oder als Beobachtender.
Mit dem Thema Geld arbeitet Meireles schon seit 1969. Er bündelte und stapelte brasilianische Scheine oder verbreitete selbst produziertes Geld mit dem Aufdruck “Null Dollar”. Zuletzt tauschte er 1000 kanadische Dollar mehrere Dutzend Mal in andere Währungen, bis er nur noch vier Dollar übrig hatte. Einem breiteren Publikum wurde Meireles, Jahrgang 1948, auf der Kasseler “Documenta” 2002 bekannt mit seinem Wassereis, das er verkaufen ließ. Damit erinnerte er an die Knappheit des kostbaren Guts, spielte…