Chronische Moderne
von Sabine Maria Schmidt
I. Skizzen von einer Dauerbaustelle
Es gibt kein Abonnement auf Fortschritt. Selbst das, was schon erreicht wurde, kann unter verengten ökonomischen Bedingungen ganz schnell wieder zurückgenommen werden. Das ist ein Kampf, den man ständig führen muss. Silvia Bovenschen (1946 – 2017)1
Seit über zwanzig Jahren – nach der Postmoderne – ist die theoretische und künstlerische Auseinandersetzung mit der Moderne ein Dauerthema geblieben. Vor allem bei einer jüngeren Künstlergeneration kam das Stilrepertoire der Kunst der klassischen Moderne seit der Jahrtausendwende wieder groß in „Mode“, chronisch in Mode, möchte man hinzufügen. Die Künstler pochen dabei auf Autonomie und Ideenfreiheit. Sie stützen sich auf den Anspruch, fern von historischen oder externen Kriterien, Bildmaterial frei verwenden und umgestalten zu können. Die Rückwendung auf die frühen Avantgarden als Strategie der Abwendung von den Diskursen der 1990er Jahre war auch ein Fluchtweg aus dem immer weiter beschleunigten Innovationskult des Kulturbetriebs. War nicht am Ende des 20. Jahrhunderts schon alles gesagt? Die „Kunst nach der Kunst“ war zu einem kulminierenden Höhepunkt gelangt. Sampling, Cross-Over, Post-Pop, Gattungsfusionen, Techno- und Hip-Hop-Musik, die gesuchte Nähe zu Film, Mode und Design, Remix und Mash-Up, „History Repeating“, die Lust am Plagiat und an Copy-Kultur, der Kampf gegen Copyrights, Internetsubversionen einer ersten Netzkunstgeneration geben hier nur wenige Stichworte. Nicht mehr der originär aus sich selbst schaffende Künstler, sondern der (historisch) vergleichende Autor, der entwendet und verwendet, der interpretiert oder wiederholt, prägte das Bild am Ende eines höchst bewegten und kreativen Jahrhunderts, in dem…