Die Eröffnungsrede
Klaus Honnef
Christo: Wrapped Reichstag
Einführung zur Ausstellung CHRISTO:
Running Fence und Wrapped Reichstag, am 14.9.1977, im Rheinischen Landesmuseum, Bonn.
Verehrte gnädige Frau, Herr Senator, meine Damen und Herren!
‘Kunst – was ist das? ‘ – Diese uns Museumsleuten nachgerade so geläufige Frage stellte kürzlich ein – Museum: Die Kunsthalle in Hamburg. Doch mit der Beantwortung dieser Frage, über deren Wichtigkeit ich nicht streiten möchte, machte man es sich allzu einfach. Denn – pauschal gesagt -ist der Ansicht dieses Museums zufolge im Grunde alles Kunst. Aber eine solche Meinung ist ebenso unbefriedigend wie die, wonach alles Kunst sei, was Künstler eben bewerkstelligten. Sie erzwingt nämlich unweigerlich die Zusatzfrage, wer eigentlich als Künstler zu betrachten sei, und wer bestimme, ob jemand ein Künstler ist oder nicht. Das Spektrum der Antworten auf die Frage, was Kunst sei, läßt sich beliebig erweitern. Etwa um diejenige von Christo, dessen Ausstellungen ‘Running Fence’ und ‘Wrapped Reichstag’ wir heute eröffnen. Mike Cullen deutet sie so: Christo hege die Auffassung, daß Kunst keine Funktion haben dürfe und zitiert zum Beleg dafür zwei seiner Sätze: ‘Die Chinesische Mauer ist zweckgebunden; also kein Kunstwerk. Ein Kunstwerk muß unbrauchbar sein’. Ich möchte weniger dem Aperçu Christos widersprechen, als der Auslegung Mike Cullens, und dies kurz am Werk Christos nachweisen. Mir ist kaum ein Künstler bekannt, der sich mit dem Problem der Funktion von Kunst derart intensiv und derart erfolgreich herumgeschlagen hat wie Christo. Und es ist auch meines Erachtens auch zweifelsfrei, daß ihn die Frage nach der Funktion der Kunstwerke mehr interessiert…