Jutta Schenk-Sorge
Christine Borland: From Life
Kunst-Werke Berlin, 13.1. – 25.2.1996
Für Christine Borland ist der eigentliche Tatort der Kopf des Betrachters. Dennoch gilt die Neugierde der 30jährigen schottischen Künstlerin keineswegs privaten Fantasien. Ihr Ansatz zielt vielmehr auf die Mechanismen, die dazu führen, daß sich Dinge mit Bedeutung aufladen, zu sprechen beginnen und unversehens in Indizien eines Geschehens verwandeln. Das mag trocken klingen, ist es aber keineswegs, zumal Borland mit Millionen Fernsehzuschauern die Faszination durch dramatisches Geschehen, Polizeipraktiken, Schußwaffen, Gewalt und ihre Folgen teilt. Borlands Verfahren erinnert an bekannte Übungen, wie sie bereits die Surrealisten betrieben. Dabei wird der Anfangssatz einer Geschichte vorgegeben, die jeder auf seine Weise dann ausführt. Vergleichbares geschieht, wenn die Künstlerin den Betrachter mit ihren Szenarien und Objekten konfrontiert, beispielsweise mit einer schäbigen Wolldecke. Diese zeigt allerdings das aufgedruckte Kürzel P.P. für Polizeipräsidium und einige Einschußlöcher. Da kommen Imagination wie Spekulationen in Gang, und zwar um so mehr als der geweckte Erklärungsbedarf nicht befriedigt wird. Nahezu unsichtbare Eingriffe genügen da schon. So vergrub Borland 1994 anläßlich der Ausstellung “East of Eden” ein “Sturmgewehr” im Schloßpark bei Dessau. Obwohl nur ein Schild darauf verwies, daß sich in der Nähe eine vergrabene Kalaschnikow befand, ließ allein dieses Wissen die Parkidylle in anderem Licht erscheinen. In Berlin, als Stipendiatin der Kunst-Werke, setzte Christine Borland jetzt ihr umfangreiches Projekt “From Life” fort, dessen ersten Teil sie in Glasgow durchgeführt hatte. Ausgangspunkt war dort der Erwerb eines menschlichen Skeletts sowie der Wunsch, seine Identität zu klären. In einem langwierigen Prozeß und mit Hilfe…