Berlin
Christiane Möbus
Rette sich, wer kann
Galerie Diehl 29.02. – 17.05.2020
von Matthias Reichelt
Mit Christiane Möbus’ Installation, lange im Voraus geplant, haben die Künstlerin und der Galerist Volker Diehl unbeabsichtigt einen punktgenauen Kommentar zu der Pandemie durch Covid 19 platziert.
Der Kern der Inszenierung stammt von 2001 und besteht aus zwei parallel aufgebockten und mit dem Bug zur Straße gerichteten ehemaligen Rettungsbooten der Jan Cux II. Jeweils 10 Personen könnten hier Schutz bei einer Havarie finden. Doch Möbus’ Rettungsboote sind mit zu Kuben gepressten und hochgestapelten Heuballen überfüllt und erinnern an Containerschiffe, die für den globalen Warenverkehr ihre, die Atmosphäre verschmutzenden, Routen auf den Weltmeeren ziehen. Auf jeden Fall verheißen die in der Galerie gezeigten Boote keine Rettung, auch wenn über dem rechten Schaufenster eine eher harmlos wirkende Neonschrift mit nachdrücklichem Imperativ auffordert „rette sich, wer kann“.
In einer kleinen Nebenstraße inmitten des gediegen-bürgerlichen Charlottenburgs verstört die Flaneure das inszenierte Bild mit surrealer und gleichwohl apokalyptischer Kraft, das aktuell eine besondere Wirkung entfaltet. Bei der Vernissage im Februar begrüßte man sich zwar schon ohne Handschlag und wahrte Distanz, aber die weitere Entwicklung mit lockdown war da noch nicht abzusehen. Das beunruhigende Bild ist gänzlich durch die Schaufenster der Galerie wahrnehmbar und seitdem permanent zu besichtigen. Besonders nachts ist der Eindruck der beleuchteten Inszenierung am stärksten.
Christiane Möbus, die kürzlich ihren 73. Geburtstag beging, beweist sich mal wieder als Meisterin der Erschaffung intensiver Bilder, die ihre eindrückliche Wirkung gegenläufiger Konnotationen und ästhetischer Stile verdanken. Der alarmistische Ton, den die kalt-blaue Neonschrift anschlägt, wird gekontert durch…