Martin Blättner
Christiane Möbus
»Auswanderer«
neues museum, Nürnberg, 9.3. – 17.6.2007
Der Anblick einer fünf Meter hohen, präparierten Giraffe auf einem Edelstahlgestell, das an Drahtseilen hängt, hat im Kunstmuseum etwas Unwirkliches an sich – diese Inszenierung mit einem ebenso exotisch anmutenden Motiv wie Titel („Küsse vom König“) scheint der Stoff zu sein, aus dem die Träume gemacht sind: Ein Schwebeobjekt legt zunächst alles Andere als einen aktuellen Realitätsbezug nahe. Die Assoziationen zu einem Zustand ohne Erdenschwere mit den Utopien von Freiheit und Abenteuer eignen sich aber nur scheinbar als Verdrängungshelfer der Umwelt- und Lebensraumbedrohungen. Die poesievolle Leichtigkeit muss nicht über die Abgründe des Erhabenen täuschen, zumal sie in eine eher nüchterne Welt der Formen eingebunden ist.
Rätselhaft ist so manches in dieser Ausstellung von Christiane Möbus, auch wenn alle Objekte an und für sich verstehbar und erklärbar sind. Surreal mutet gelegentlich die Zusammenstellung des eigentlich Unvereinbaren an. So wird das brutal funktionelle Realitätsfragment eines LKW-Fahrerhauses mit sanftem Tüll-Dekor in Verbindung gebracht – wenn nicht beide Teile schwarz wären, gäbe es wohl noch weniger Zusammenhang: Der Titel „Schneewittchen“ entspricht übrigens der paradoxen Umkehrung von Weiß zu Schwarz, der Glanz der Oberfläche fängt noch Licht auf, die Tüllwolke schafft ein Gleichgewicht zum unvollkommenen Fahrerhaus ohne Hinterteil, das Märchenhafte wird auf den Boden eines technisch kalten Nutzfahrzeugs gezwungen, das vollkommen unzugänglich ist. Vielleicht erschließt sich bei diesem Objekt noch am ehesten das Leitmotiv und der Übertitel der Ausstellung „Auswanderer“ – um auszuwandern, bedürfen wir eines Transportmittels, vielleicht sogar eines getarnten Fahrzeugs und wenn dies nicht real…