Vitus H. Weh
Christian Philipp Müller
»Eine Welt für sich«
Freihausviertel, Wien, 22.9. – 31.10.1999
In der Operngasse war schon ein ziemlicher Wechsel. Da haben zuerst zum Teil jüdische Geschäftsleute, dann ab 38 die großen Nazis, ab 45 die Russen gewohnt. Jetzt wohnt hier wieder die Ur-Bevölkerung. Es sind lauter nette Leut, es waren alle nett.” Die anonyme Stimme scheint zu wissen, von was sie redet – auch wenn einem vor der frivolen Geschichtskonstruktion schaudern mag. Offensichtlich gehört die Stimme einer Zeitzeugin, oder besser gesagt: einer “Gräzelzeugin”. Zu hören ist sie in der neuesten Installation von Christian Philipp Müller, “Eine Welt für sich”, die sich dem Wiener Freihausviertel widmet. In einer abgedunkelten Kammer, in der kuriose Exponante wie eine hölzerne Spielkartenpresse, Hutmachermodelle, ein Papageno-Federkostüm oder ein Gurkenglas von nackten Glühbirnen spärlich beleuchtet werden, vermischt sich ihre Stimme mit anderen Kurzkommentaren, die Müller mit dem Tonband im Viertel eingesammelt hat: “Da, vis à vis, da war die Emsenhuber, das war eine Prostituierte, die ermordet worden ist. Und zwar hat die einen prominenten Mörder gehabt, das war der Stefansturmkletterer, Bergmann hat der geheißen”, oder “Ich sitze jetzt seit zwölf Jahren hier und genauso, wie Sie hier sitzen, sitzt oft meine Sekretärin. Die glaubt natürlich, ich schau sie an, in Wirklichkeit schau ich die Karlskirche an.” Was aus den Lautsprechern tröpfelt, entspricht erstaunlich den Klischees, die man von der Wiener Lebensart so hat: wurstig und voller sentimentaler Grobheiten. “Am Karlsplatz hat’s einen Friedhof gegeben, den mußten sie dann irgendwann sperren, weil immer bei Hochwasser und…