Rainer Metzger
Christian Philipp Müller
»The Family of Austrians«
Galerie Metropol, Wien, 19.10. – 30.11.1993
Denn es ist ein unwiederbringliches Bild der Vergangenheit, das mit jeder Gegenwart zu verschwinden droht, die sich nicht als in ihm gemeint erkannte”: Walter Benjamin, der in den achtziger Jahren wieder kräftig zu Ehren gekommene Theoretiker der Moderne, hat dies in der fünften seiner Thesen “Über den Begriff der Geschichte” formuliert. Den Unterschied zwischen den Dingen als Modeerscheinung und jenen, die zu Kulturgütern geadelt sind, macht ihre Fähigkeit aus, der jeweiligen Gegenwart auf die Sprünge zu helfen. Kultur als Gedächtnisleistung, als Hinweis auf jenen Vorschein einer besseren Welt, der in den Dingen aufblitzt, aber im Moment des Leuchtens schon wieder vergeht: Vor der Folie dieses Begriffs von Kultur erwächst das Versagen des Fortschritts, inszeniert sich die Unerlöstheit der Geschichte. Kultur als Gedächtnisleistung, das ist auch die Problematik in der künstlerischen Arbeit von Christian Philipp Müller. Seine Fragestellung erweitert sich gegenüber Benjamin um jene typisch postmoderne Komponente: Wieweit erkennt sich eine Gegenwart durchaus als in der Vergangenheit gemeinte und findet trotzdem nicht zu sich, gerade durch die Existenz von Kultur? Müller verengt Benjamins Begriff, indem er auch die Gegenwart historisiert; er erweitert ihn gleichzeitig, indem er diese von der Verpflichtung auf solche Metaphysik wie Erlösung oder Vollendung befreit.
Müllers Ausstellung in der Wiener Galerie Metropol hat einen präzisen zeitlichen und örtlichen Anlaß: den Trubel, den er als Schweizer verursachte, als er zusammen mit der Amerikanerin Andrea Fraser und dem Österreicher Gerwald Rockenschaub die Alpenrepublik auf der diesjährigen Biennale in…