ANNELIE POHLEN
Christa Näher
Wolfegg
Galerie Vera Gliem, 11.9.-16.10.2004
Ein Flecken mit Schloß und Landgut derer zu Waldburg-Wolfegg im Westallgäu ist seit 30 Jahren Quelle der zwischen überwältigender Dramatik und poetischer Leichtigkeit expressiv mäandernden Bildfindungen von Christa Näher. Die “Wolfegg” betitelte Ausstellung bei Vera Gliem lockt mit einigen großformatigen Leinwänden, vor allem aber in einer umfangreichen Auswahl von Tuschezeichnungen und Gouachen in edlen Passepartouts aus dünnem, bisweilen vergoldetem Holz in eine verführerisch irritierende Welt irgendwo an der diffusen Schwelle zwischen der exzessiv animalischen Lebenswirklichkeit bäuerlicher Erzählungen und der hier schwermütig verstrickten, dort gemein verschleierten Erotik höfischer Züchtungen.
Im unablässigen Strom möglicher Bilder steht Wolfegg sinnbildlich wie real für eine der zeitlichen Linearität wie der örtlichen Verfestigung entzogene, sinnen- und emotionspralle Vorstellungswirklichkeit, der die rationale Sucht nach Wahrscheinlichkeit und Plausibilität bis heute nichts anhaben kann. Entsprechend entzieht sich deren Verdichtung im Bild – trotz aller Verbindung zu den seit den 80er Jahren andauernden Entwicklungen der figurativen Malerei – vergleichbarer Verfestigung in einem bestimmbaren formalen Repertoire. Getrieben von der neugierigen Erforschung transrationaler wie subrationaler Wirklichkeiten verschmilzt die eigene Wirklichkeit mit dem reichen Strom verklungener wie erfundener Erzählungen in Bildern, deren Sog sich vor allem der Bewegung der Linie und dem Rhythmus der Farben verdankt. Findet sich in den frühen Arbeiten der ,Geist’ von Wolfegg gefiltert im Porträt der Künstlerin, die sich den von der Rasanz dunkler Farbrhythmen getriebenen animalischen Wesen, vornehmlich den wild daherstürmenden Rössern anvertraut, so verdichtet sich nun das erotisch aufgeladene, existentielle Begehren in Bildfindungen zwischen archaisch gefärbten Erzählungen und koketten, höfischen Phantasien,…