Chiyoko Szlavnics
Zwei horizontale Linienfelder begegnen und überschneiden sich. Das rechte, etwas größere ist durchaus gleichmäßig gebaut, in parallelen Zeilen, im linken Feld fallen die Linien fast unmerklich aus der vorherrschenden Waagerechten. In dem Schnittfeld entsteht so eine wellenförmige Maserung mit eigensinnigen Helldunkelkurven, wie man sich gelegentlich bei edlen Seidenstoffen oder Pelzen findet. Der Puls, die Interferenz im Feld der Teilmenge ist unberechenbar wie ein Naturereignis; es ergibt sich, zumal die Zeichnerin ihre Linienfolgen zwar mit dem Lineal auf dem großen Zeichentisch setzt, aber (sozusagen) aus der Hand. Die Abstände und deren regelmäßige Anmutung entstehen im Setzen, was vorausgehende Berechnungen nicht ausschließen muss; aber die Werte der Schattierungen in den Feldern schwanken. Vielleicht sind sie in gewisser Weise geatmet. Ein grundsätzliches Arbeitsprinzip liegt in dieser Serie, die bezeichnenderweise als „Moiré“ firmiert, offen da: Es geht um Überlagerungen und freie Summen im engen Verhältnis zur Horizontale, die auch eine Zeitachse sein kann, denn Chiyoko Szlavnics ist, um es etwas amtlich zu sagen, hauptberuflich Komponistin. Ideen zu einer Musik entwickelt sie seit etwa 2004 primär in piktoralen Bauplänen, die ihren ganz eigenen ästhetischen Reiz haben. Seit etwa 2010 entwickelt sie aus diesen Entwürfen freie Zeichnungen; so emanzipiert, dass sie in eine entsprechend autonome Arbeit mündeten, die 2011 erstmals im Rahmen einer Musikunabhängigen Präsentation (Berlin – London: „Anschlüssel“ bei Frühsorge) in Berlin gezeigt wurde.
Unabhängig von den freien Fantasien der Moiré-Serie sind die Funktionszeichnungen, die sich deutlicher auf ihre Musik zu bewegen, nach wie vor eine wichtige, konzeptionierende Arbeitsgrundlage ihrer Musik. Fast schon wie in…