Angelika Stepken
China Avantgarde
Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 30.1. – 2.5.1993
Am 5. Februar 1989 eröffneten chinesische Künstler in Peking eine gleichnamige Ausstellung in anderer Schreibweise: Zwischen China und den Avantgarde-Begriff war ein relativierender Schrägstrich gesetzt; die Avantgarde war zerlegt in ihre beiden Worteinheiten, den Zeitbegriff bezeichnenden Vorgriff und die wachende, vorsichtige Funktion. “China/Avant-Garde”. Drei Jahre lang hatten sich die Vorbereitungen für diese Ausstellung hingezogen. Etwa 300 Werke waren schließlich in der Pekinger Nationalgalerie zu sehen – ein Triumph für die international orientierten, “modernen” chinesischen Künstler gegenüber der offiziellen, restriktiven Kulturpolitik.
Vertreten waren dort all jene Protagonisten der sogenannten “Kunstbewegung von 1985”, die vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Reformpolitik Deng Xiaopings eine große, offensive und öffentliche Auseinandersetzung zwischen westlicher Moderne und chinesischer Kultur provoziert hatte. Während ihrer nur zweiwöchigen Dauer wurde die Ausstellung zweimal von den Behörden geschlossen. Vier Monate später massakrierte der Parteiapparat auf dem Tiananmen-Platz militant die Bewegung für Demokratie in China. Auch Künstler wurden verhaftet und/oder konnten sich in der darauffolgenden Zeit nur mehr in die Heimlichkeit ihrer Wohnateliers zurückziehen. Erst im vergangenen Jahr ließ der politische Druck nach, Handlungsfreiräume wurden wiedererobert und neu definiert. Eine neue Generation von Künstlern setzt sich vom “philosophischen Idealismus” der ’85er-Bewegung ab. Der chinesische Kunstkritiker Li Xianting charakterisiert deren aktuelle Praxis und Form als “zynischen Realismus” und “Parodie des Politischen”.
Das Plakat zur Ausstellung in der Pekinger Nationalgalerie vor vier Jahren zeigte ein Verkehrszeichen: no return. Es signalisierte das Selbstbewußtsein dieser jungen Künstler ebenso wie den Prozeß einer unaufhaltsamen Konfrontation und Vermittlung/Anpassung zwischen…