Claudia Posca
Château d’Oiron -Curios & Mirabilia
Château d’Oiron, Oiron/Frankreich, 1.7. – 15.9.1993
Noch gibt es unerwartete Entdeckungen auf dem Streifzug durch Kunst und Kultur. Doch nicht immer und bei weitem nicht alles erhält unbedingten Zuspruch. Anders in Oiron, einem kleinen französischen Dorf in der Nähe von Poitier. Kaum würde man in dieser abseits der Loireschlösser gelegenen Gegend Aufsehenerregendes vermuten. Und doch oder vielleicht gerade wegen der provinziellen Beschaulichkeit ist es hier zu finden.
Tradition und Moderne stehen im Blickpunkt des von Jean-Hubert Martin geleiteten Unternehmens, am wiederentdeckten Ort des Schlosses von Oiron Konfrontationen und Dialoge mit aktueller Kunst zu wagen, um so den nicht nur für französische Verhältnisse steinigen Weg eines der Denkmalpflege wie dem Museumsbetrieb neuartig erscheinenden Denkens in Sachen kultureller Auseinandersetzung ebnen zu können. Entgegen einer ausschließlich restauratorischen Arbeit bzw. einer Sammlungstätigkeit in speziell hierfür erbauten Häusern will man durch die Zusammenkunft beider Disziplinen unter dem Dach des Château d’Oiron und in der geschaffenen Konflikt- und Austauschsituation dem tradierten Kulturverständnis innovative Maßstäbe setzen.
Lange Zeit ignoriert und seit 1941 zunehmend in Vergessenheit geraten, geht die aus dem 16. Jahrhundert stammende Schloßanlage glanzvollen Zeiten entgegen. Ein Kunstzentrum entsteht, das schon im noch unvollendeten Zustand anspricht und Neugier auf das Kommende erweckt. Das hängt zum einen mit dem umfassenden Restaurierungsprogramm zusammen, das die Verschmelzung von Gotik-, Barock- und Renaissancearchitektur zu bewältigen hat. Zum anderen aber verdankt sich die Wiederkehr ins zeitgenössische Bewußtsein vor allem dem Durchsetzungsvermögen des wirkungsgeschichtlichen Denkens Jean-Hubert Martins, dem die aktuelle Nutzung des historisch wertvollen Ortes nicht als Widerspruch, wohl…