CHARLINE VON HEYL
Snake Eyes
Deichtorhallen Hamburg/ Halle für aktuelle Kunst 22.06. – 23.09.2018
von Jens Asthoff
Die Bildinformation überrascht mit einem rätselhaften Titel: Vald-In-Zam-Kite (2016). Doch manchmal muss man so ein Wort bloß innerlich bewusst aussprechen, um den von Schrift verstellten Sinn phonetisch aufzulösen – und hört plötzlich, mit deutlichem US-Akzent, die „Waldeinsamkeit“ heraus. Der Titel bezieht sich aufs gleichnamige Lied in Ludwig Tiecks frühromantischem Kunstmärchen Der blonde Eckbert (1797). Für Charline von Heyl sind derlei Verknüpfungen typische Volten, ihre Bilder leben vom Verflechten visueller und intellektueller Ebenen. Zunächst und vor allem sind sie abstrakte Malerei, durchmischen eine Gemengelage aus freiem Kolorit und Gestus mit grafisch-figurativen Elementen und referieren zudem, oft über Titel, auf eine Vielzahl literarischer, popkultureller und philosophischer Quellen. Die 1960 in Mainz geborene Malerin, die in Hamburg und Düsseldorf studierte und in den 80er-Jahren die Kölner Kunstszene mitprägte, ging Mitte der 90er in die USA, lebt heute in New York und Marfa, Texas. In ihrem Werk reiben sich also in besonderer Weise auch europäische und amerikanische Perspektiven.
Dazu passt, dass Vald-In-Zam-Kite einen sehr deutschen, sehr nostalgischen Gefühlsbegriff in breitem US-Slang spiegelt wie ein folkloristisches Klischee. Doch das ist nicht bloß ironisches Grüßen von drüben, es steht exemplarisch für von-Heyltypisches Triggern von Referenzen mitten hinein in die malerische Autonomie. Solch komplexer Künstlichkeit ist nicht zuletzt auch Tiecks düstere Story verbunden – eine abgründige Idylle, in der es um Wahnsinn, Mord und Inzest geht –, denn sie ist kein uriges Volksmärchen, sondern dessen hochartifizielles Imitat. Vergleichbare Literarizität findet man in zahlreichen Bildern…