Rainald Schumacher
Charles Ray
Whitney Museum of American Art, New York
4.6. – 30.8.1998
In den vergangenen zwei Jahren hat Charles Ray daran gearbeitet, einen Großteil seiner bevorzugten Alltagskleidung, eine Jeans, einen Ledergürtel, ein kariertes Flanellhemd, eine Windjacke, Wildlederschuhe und Brille in Heimarbeit selbst noch einmal herzustellen. Die in mühsamer, monatelanger Hingabe hergestellte Kleidung wird von ihm in einem kurzen, vierminütigen Film, “Self-portrait with Homemade Clothes”, 1998, getragen. Eine seiner letzten Skulpturen, “Unpainted Sculpture”, 1997, ist der Abguß eines Personenwagens, der in einem tragischen Unfall deformiert wurde. Über hundert Einzelteile mußten auseinander montiert, abgegossen und wieder zusammengefügt werden. Das Endprodukt, ein entgegen seinem Titel grau bemalter Fiberglas-Abguß des gesamten Personenwagens, bildet den Abschluß einer Retrospektive, die mit knapp 25 Skulpturen, einigen Photographien und zwei Filmen einen Überblick über ein verständlicherweise kleines, aber herausragendes Oeuvre bietet. Die meisten dieser Arbeiten sind in der kurzen Zeit seit ihrer Entstehung zu Ikonen der Kunst der vergangenen zehn Jahre geworden. Vor allem die Skulpturen, die auf der Grundlage von Schaufensterpuppen entwickelt wurden, sind in Magazinen und Publikationen der letzten Jahre, weit über den Bereich der Kunstszene hinaus, vielfältig reproduziert und häufig zur Illustration von Gedankengängen verwendet worden, die sich im Rahmen einer Gender- und Post-Human-Diskussion bewegten.
Der Arbeitsprozeß für das “Self-portrait with Homemade Clothes” bietet einen interessanten Verweis auf Charles Rays Methodik. Um ein Selbstportrait zu erarbeiten, beschäftigt er sich nicht mit dem psychologischen Selbstverständnis, den Emotionen, Ansichten oder inneren Wertvorstellungen der eigenen Person, sondern sehr ausgiebig mit dem, was er täglich am liebsten trägt. Diese oberflächliche…