Chance in der Krise?
Die Bonner Kunstszene nach der Entscheidung für Berlin als Regierungssitz
Von Andreas Denk
Am 20.6.1991 entschied der Deutsche Bundestag mehrheitlich, daß künftiger Sitz von Regierung und Parlament nicht mehr Bonn, sondern Berlin sein soll.
Innerhalb von acht Jahren sollen nicht nur die Verfassungsorgane mit Ausnahme des Bundesrats, sondern auch die Kernbereiche der Ministerien in die Stadt an der Spree wechseln. Wieviele Arbeitsplätze, Bevölkerung, Kapital und Investitionsvolumen die kleine Stadt am Rhein einbüßen wird, ist bei der bisher nur ungenau benannten Planung unklar. Festzustehen scheint jedoch, daß die Bonner Region einen Strukturwandel erleben wird. Um die Folgen des Verlustes der Funktion als Regierungssitz langfristig auffangen zu können, hofft man auf die Ansiedlung von Europainstitutionen, den Aufbau eines High-Tech-Zentrums oder auf eine Erweiterung der Universität.
Während im Bonner Stadthaus Krisenmanagement geübt wird und Teile einer besorgten Unternehmerschaft ihrer Enttäuschung in peinlichen “Donnerstags-Demonstrationen Luft machen, schwanken Bonns Kulturschaffende zwischen Bangen und Hoffen. 1992 eröffnen Bundeskunsthalle und Kunstmuseum, die man sich als Träger eines kulturellen Aufbruchs vorstellen könnte, der die ganze Stadt erfaßt. Andreas Denk sprach mit Bonner Museumsleuten, Ausstellungsmachern, Galeristen und Kulturpolitikern.
Hans-Jochem von Uslar-Gleichen
KULTURDEZERNENT DER STADT BONN SEIT 1983
Gibt es bereits absehbare Folgen für das Bonner Kulturleben, wenn Bundestag und Regierung nach Berlin ziehen?
Ich wehre mich dagegen, daß man so tut, als ob es sich hier um den Ausbruch eines Vulkans handele, nach dem die Landschaft anders aussieht als vorher. Wir haben beharrlich eine kulturelle Struktur für eine Stadt mit 300 000 Einwohnern und 500 000 Menschen im Einzugsbereich eingerichtet. Daran ändert sich…