Claudia Wahjudi
Ceterum Censeo II
Marstall, Berlin, 16. – 25.10.1998
Die Möwen waren ganz aufgeregt. Martin Blanke hatte die Stimmen der Seevögel, die sich nachts auf dem Dach des Marstalls versammeln, aufgenommen, spielte sie in den Luft-raum über dem Haus, und prompt antworteten die Möwen ihren Rufen vom Band mit viel Geschrei.
Draußen wie drinnen ging es um Kommunikation. Zehn Tage und Nächte stellten sich im Marstall Berliner Projekte vor, die Produktions- und Vermittlungsformen jenseits derer von Kulturinstitutionen und ökonomisch operierender Galerien suchen. Rund 220 Namen standen auf der Liste der Beteiligten – “Ceterum Censeo” sollte mehr Messe als Ausstellung sein. Geladen waren Verlage, Label, Produzentengalerien, freie Gruppen, Vereine, und wie diese die Arbeiten der Künstler und Musiker präsentierten, blieb weitgehend ihnen überlassen.
Und so spannten die Projekte mit ihren Ständen den ganzen Bogen von souveräner Professionalität bis professionellem Diletantismus. Büro Friedrich oder Shift e.V. wählten leistungsstarke Monitore und CD-Rom-Laufwerke; die Glücklichen Arbeitslosen pinnten gleich neben ihr Manifest Kopien von Texten ihrer Kritiker. Sammeln Sie Kunst schuf mit Tisch, Bänken und Katalogen benutzerfreundliche Bibliotheksstimmung unter Fotos, die vom Verbleib der im Laden verkauften Arbeiten zeugten; die Galerie o zwei, die schon straßenfüllende Kunstaktionen organisierte, begnügte sich mit einem Stuhl und einem Karton voller eingeschweißter Blätter mit knappen Informationen über Bisheriges. Und damit sich Videos, Veranstaltungslisten und Turmbauten von Millionen Verlag, der Clubgalerie Berlintokyo und Kunstruimte nicht in die Quere kamen, stand der Monitor von Video.Kunst.Multi.Media.Berlin.e.V. mit Friederike Anders Arbeit zur Rolle von Journalistinnen im Mediengeschäft dann doch nicht zwischen Sitzkissen, sondern auf einem skulpturalen…