MAGDALENA KRÖNER
Carroll Dunham: Retrospektive
New Museum of Contemporary Art, New York, 31.10.2002 – 2.2.2003
Diese Wesen vom anderen Stern haben es nicht leicht: gesichts- und gliederlos sind sie mit dem Grund verwachsen. Sie haben keine Augen, dafür monströse Phalli, die als dominantes Sinnesorgan aus ihrem Kopf wuchern. Ihr Mund ist ständig vor Ärger verzerrt: stets zeigen sie einander die gebleckten Zähne oder schreien sich an. Sie tragen nichts außer einem Hut auf dem Kopf, der auf einen letzten Rest von Zivilisation verweist, von der sich diese Slapstick-Barbaren längst abgewandt haben. Es gibt auch ein paar wutentbrannte weibliche Wesen unter ihnen, denen geht es offensichtlich auch nicht besser. Sie wohnen auf einem gelben oder lila oder grünen Planeten, auf dem derjenige König ist, der eine Peitsche hat, die er über die anderen hinwegpfeifen lassen kann. So spucken, peitschen und schimpfen sich verbissen, blind, aber hysterisch fühlend durch ihre Welt.
Atavistisch, trashig, transgressiv, in knallbunter, drogenumspülter Comic-Ästhetik, schreiend komisch und virtuos schlecht gemalt – das sind die Eckdaten, anhand derer man Carroll Dunhams Malerei effektiv und erschöpfend missverstehen kann. Von ihnen aus lässt sich aber auch ein frischer Blick auf eine in Europa eher unbekannte, vielschichtige Figur der amerikanischen Gegenwartsmalerei werfen.
Eben erst richtete ihm das New Yorker New Museum of Contemporary Art in Soho eine erste Einzelschau aus. Der 1949 in Connecticut geborene Dunham kam als Assistent Dorothea Rockburnes in die New Yorker Szene, wo er im Umfeld von Minimal Art und abstraktem Expressionismus, inspiriert von Philip Guston, rasch einen eigenen künstlerischen Weg beschritt,…