Carlos »Tchale« Figueira
Eine Einzelausstellung eines kapverdischen Künstlers in Praia (Hauptstadt der Kapverden) ist etwas noch so Seltenes, daß sie es verdient, erwähnt und entsprechend gewürdigt zu werden. Um so mehr, als es sich um einen dort beheimateten Künstler handelt, der 1970 im Alter von 17 Jahren nach Europa kam, wo er sich vor allem in den Niederlanden und in der Schweiz aufhielt – er studierte in Basel an der Schule für Gestaltung – und wo er die großen Museen besuchte und mit der internationalen zeitgenössischen Kunst in Berührung kam. Bevor er 1985 auf die Kapverden zurückkehrte, nahm er an mehreren bedeutenden Aktionen teil.
Mein Freund Leâo Lopes – ein dynamischer Experimentator und aufgeschlossener Organisator des Atelier Mar und der Galeria Alternativa in S. Vicente – vermittelte mir die erste Begegnung mit Carlos Figueira, genannt Tchalê. Ich hatte sofort das Gefühl, daß seine Malerei die Verheißungen der Sprache des echten Malers in sich trug, die man durch das formale Erbe des Primitivismus eines Picasso oder Wilfredo Lam und des magischen Universums eines Chagall durchschimmern sah. Ein neuer Maler kommt keineswegs aus dem Nichts. Er ist verwurzelt in seinem eigenen kulturellen Erbe und befindet sich im Dialog sowohl mit anderen Kulturen als auch mit den bildnerischen Kräften seiner Zeit, die er seinen künstlerischen Zielen entsprechend einsetzt.
Auf den ersten Blick mag die Welt Tchalê Figueiras überraschen durch den nahezu unwirklichen Expressionismus seiner bildlichen Darstellung. Figuren von impulsivem Strich und greller Farbigkeit, leer der Blick der Gesichter, die etwas Gespenstisches, Alptraumhaftes, Wahnsinniges ausstrahlen. Sie beherrschen…