Carl Andre
Eine andere Tiefe
„Freedom is just another word for nothing left to lose.“ Janis Joplin
von Heinz-Norbert Jocks
Einst feierten die Museen in Amerika den 1935 in Quincy geborenen Carl Andre als Pionier der Minimal Art. Vor 32 Jahren wurde er von jetzt auf gleich fallengelassen. Auch der amerikanische Kunstmarkt ignorierte ihn, weil er 1985 angeklagt wurde, seine Frau, die kubanische Künstlerin Maria Mendieta ermordet zu haben. Trotz des Freispruchs vergingen fast 30 Jahre, bis ein amerikanisches Museum ihn wieder ausstellte. In den frühen 1960ern hatte Andre mit linearen Installationen aus Holz, Ziegelsteinen und Metall eine neue Kunstrichtung mit ins Leben gerufen und alle für die Skulptur bis dahin geltenden Kriterien verworfen. Seinen Durchbruch hatte er 1970 mit einer Solo-Show im Guggenheim Museum. 2015 widmete ihm das Dia Beacon Museum eine Retrospektive mit dem Titel „Sculpture as Place, 1958 – 2010“. Nach einer Zwischenstation im Madrid war sie im letzten Jahr im Hamburger Bahnhof und danach im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris zu sehen. Sie läutete eine Renaissance des Minimalisten ein. Heinz-Norbert Jocks traf Carl Andre in Anwesenheit seiner Frau Melissa Kretschmer in New York, um zu erfahren, wie er heute auf sein Leben als Künstler zurückblickt.
Heinz-Norbert Jocks: Über das, was Sie künstlerisch machen, sagen Sie: „Nicht mehr als das, was man sieht.“ Deshalb die Frage: Welche Beziehung haben Sie zur Tiefe?
Carl Andre: Mit dem Begriff „Tiefe“ assoziiere ich als Erstes ein altes englisches Seemannslied, das von mutigen, tiefschlafenden Männern handelt. Ich stimme dem Schriftsteller Percy Bysshe…