Ronald Berg
Carl Andre
»Sculpture as Place, 1958 – 2010«
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, 5.5.2016 – 18.9.2016
Als Carl Andre 1970 seine erste Retrospektive in einem Museum bekam (es war das Guggenheim in New York), fragten die Leute noch, wo denn die Kunst sei, obwohl sie doch schon längst draufstanden. Heute im Hamburger Bahnhof in Berlin, muss man das Publikum extra darauf hinweisen, dass es die vielen auf dem Boden liegenden Platten betreten darf.
Die von der Dia Art Foundation, New York, initiierten Retrospektive zum 80. Geburtstag des Künstlers umfasst in ihrer Berliner Fassung auf 7500 Quadratmetern über 300 Werke aus einem halben Jahrhundert. Eine Schau der Superlative also, auch wenn allein ca. 150 Gedichtblätter in die Aufzählung eingingen sowie etliche kleinere Foto und Papierarbeiten.
Inzwischen hat sich der Kontext, gegenüber der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, als Carl Andre anfing auszustellen, völlig verändert. Andre gilt inzwischen als einer der „Väter des Minimalismus“ und Klassiker. Warum aber Andres unveränderter Ansatz gerade heute wieder größte Aufmerksamkeit verdient, zeigt bereits die erste große Arbeit im Hamburger Bahnhof mit Titel „6-Metal Fugue (for Mendeleev)“ von 1995.
Die Widmung für den russischen Chemiker Dmitri Iwanowitsch Mendelejew, dem Erfinder des Periodensystems der Elemente genauso wie der Hinweis auf die Kunst der Fuge bringen bereits Hinweise auf die Lesart des Werkes, das aus 216 am Boden zusammengelegten Metallplatten besteht. Diese Platten sind in sechs mal sechs Teilquadrate organisiert, in denen sich je zwei der insgesamt sechs verwendeten Metalle (Stahl, Kupfer, Aluminium, Magnesium, Zink und Blei) miteinander zu…