Stefan Römer
Carl Andre
»WORDS 1960 – 1980«
Paula Cooper Gallery, New York, 10.9. – 8.10.1993
Carl Andres minimalistische Bodeneisenplastiken sind hinlänglich bekannt. Weniger weiß man dagegen von seinen bereits 1958 einsetzenden Textarbeiten. In pultartigen Vitrinen an den Wänden der Paula-Cooper-Galerie reihen sich unter Glas fast 600 Schreibmaschinenseiten aneinander. Auf den ersten Blick erinnern diese Blätter an konkrete Gedichte, bei denen durch die Anordnungsform der Wörter zusätzlich zu der wortsprachlichen eine bildliche Lesart konstruiert wird. Diese finden sich ebenso wie tabellenartige Begriffsaufreihungen. Nach einem Selektionsprinzip sondert Andre Begriffe aus dem Buch von E.W. Peirce “Indian History and Genealogy” aus, mit einer auch in anderen Arbeiten erkennbaren Absicht, ein nicht narratives Gedicht zu schreiben. Er konstruiert aus den Substantiven ein strukturelles Beziehungsgeflecht: Diese Einzelelemente erhalten durch ihre ebenmäßige Verteilung über den Blattraum Gleichwertigkeit. Somit destilliert Andre aus dem ihm vorliegenden anthropologischen Text sein Schreibmaschinengedicht. Diesen Begriffen/Elementen verleiht er eine gleichberechtigte Funktion, die auch für seine Bodenplastiken charakteristisch ist.
Andre entwickelte Anfang der 60er Jahre mit seinen nichtrelationalen und unhierarchischen Bodenplastiken, die jegliches Aufragen oder Hervortreten einzelner monolithischer Elemente verhindern wollen, aus der herkömmlichen “Skulptur als Form” eine “Skulptur als Struktur”. Für Andre war es wichtig, daß es weder ideale Formen gibt, um die zu kämpfen wäre, noch Hierarchien zu errichten sind. Mit dieser für den Minimalismus typischen Haltung wandte er sich gegen die monolithische, phallische und kompositionelle Bildhauerei. Im Sinne von Theo van Doesburgs These von der Konkreten Kunst sollten seine Plastiken vor allem in ihrer selbstreferentiellen und durch den Betrachter erfahr- und erkennbaren…