Martin Blättner
Camille Graeser und die Musik
Kunstmuseum Stuttgart, 19.9.2015 – 3.1.2016
Aargauer Kunsthaus (Schweiz), 30.1.2016 – 10.4.2016
Ein ganzes Museum steht im Zeichen der Musik. Das Kunstmuseum hat sich im Jubiläumsjahr der Annäherung von „Kunst & Musik“ verschrieben. Neben Musik-Performances und musikalischen Open-Air-Darbietungen vor dem Haus und Veranstaltungen im Haus in Kooperation mit dem Jazz-Open zur großen Sonder-Ausstellung „I Got Rhythm, Kunst und Jazz seit 1920“ wird erstmals die Beziehung der Musik zur konkreten Kunst des Schweizer Künstlers Camille Graeser ab Mitte des 20.Jahrhunderts genauer untersucht.
Das Interesse der modernen Kunst an einer wechselseitigen Auseinandersetzung zwischen den Gattungen bildende Kunst und Musik setzte ja bekanntlich bereits um 1900 ein. Die Künstler der Abstraktion, die sich vom Prinzip der Naturnachahmung – das über Jahrhunderte gegolten hatte – absetzen wollten, entdeckten in der Musik ein Regelwerk mit Noten, Tonhöhen und Rhythmen, was sich als Möglichkeit darbot, die bildnerischen Mittel aufzuschlüsseln und neu zu ordnen. Hinzu kam, dass Arnold Schönberg eine neue Harmonielehre entwickelte, die den Unterschied von Konsonanzen und Dissonanzen aufhob. Wassily Kandinsky und Franz Marc waren von den Konzerten schwer beeindruckt. So inspirierte Schönberg Kandinsky zur Loslösung der Farbe vom Gegenstand. Die Zwölfton-Musik Schönbergs bewirkte bei Kandinsky eine Weiterentwicklung seines Werks zu einer eigenständigen Sprache lyrischer Improvisationen und Kompositionen.
Camille Graeser war nachweislich sehr früh mit solchen Analogien vertraut. Sein Privatlehrer Adolf Hölzel – der Künstler und auch selbst Musiker war – hatte sich noch vor Kandinsky in Stuttgart mit diesen Fragestellungen beschäftigt. Bereits 1904 hatte er erklärt, es müsse auch in der Kunst…