Bundesrepublikanische Kompromisse
Die Deutschen und ihr Denkmalskult
Rainer Metzger sprach mit Reinhart Koselleck
Sein interesseloses Mißfallen äußert er bei vielen Gelegenheiten: Der deutsche Denkmalskult, wie ihn speziell die Bundesregierung betreibt, um Berlin zur Hauptstadt hochzumöblieren, fordert immer wieder sein Dementi heraus. Reinhart Koselleck, Jahrgang 1927, ist emeritierter Professor in Bielefeld, eine Bekanntheit seit seiner Dissertation “Kritik und Krise” aus den Fünfzigern und eine Kapazität besonders durch seine Forschungen zur historischen Karriere von Begriffen. Koselleck hat mit den deutschen Großmonumenten jenseits seiner eigenen Staatsbürgerschaft und jenseits seiner historischen Profession nichts zu tun. Um so glaubwürdiger sind seine Proteste – gerade wieder zu einer Zeit, in der, nachdem Schinkels Alte Wache relativ sang- und klanglos zur Trauerstätte umfunktioniert worden ist, bald eine weitere Entscheidung von potentiell großer politischer Tragweite anfällt: das sogenannte “Holocaust”-Denkmal.
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R. M.: Seit wann beschäftigen Sie sich intensiver mit dem Problem des Totenkultes? Man hat den Eindruck, Sie hätten seit Ihrer Emeritierung ein neues Betätigungsfeld.
R. K.: Nein, das hat viel früher begonnen – 1969/70, mit der Studentenrevolte. Damals, ich war in Heidelberg, wollten alle Sozialgeschichte der Kunst machen, und ich schlug vor, Todesdarstellungen in Revolution und Krieg zu behandeln. Das mußte für die Studenten, die ja Revolutionäre sein wollten, ein gutes Thema sein: gewaltsame Tode von den Bauernkriegen bis Kennedy. Die marxistischen Studenten verweigerten sich übrigens, für sie war das zu bürgerlich. Aber ich habe gemerkt, wie viel da noch zu erforschen ist.
Sie sind berühmt durch Ihr historisches Begriffswörterbuch. Könnte man sagen, daß sich Ihr Interesse bei den Denkmälern von einer…