Jürgen Raap
Bundeskulturpolitik
Erwartungen an Rot-Grün
Erstmalig haben zwei Parteien in ihren Koalitionsvertrag die Formulierung aufgenommen: “Die neue Bundesregierung wird der Kultur in der Bundesrepublik einen neuen Stellenwert geben”. Ein rot-grünes Grundsatzpapier zur Kulturpolitik ließ sich in den Tagen des Regierungsantritts auch ziemlich rasch verabschieden. Es enthält u.a. Bekenntnisse zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zur Verbesserung der sozialen Lage der Künstler und zur Pflege der Gedenkstätten im Osten. Im kulturellen Aktionsfeld “zwischen linkem Rabatz und rollendem Rubel”, so der “Spiegel” mit hämischem Unterton, dominieren bislang durchweg pragmatische Vorhaben gegenüber wolkigen Utopien. Ansonsten sei noch “viel Arbeit am Buffet” zu leisten, rief Augsteins Magazin dem neuen Kulturstaatsminister Michael Naumann hinterher.
Nun löste Gerhard Schröders Amtsantritt längst nicht jene Aufbruchstimmung aus, wie sie 1969 die Anhänger von Willy Brandt beflügelt hatte. Allzuviel Euphorie schlug denn auch dem Kulturstaatsminister Michael Naumann bei seinen ersten “teils voreiligen” (Karlheinz Schmid) öffentlichen Auftritten nicht entgegen. Denn jeder ahnt, daß die Absichtserklärung im Koalitionsvertrag für Museen und Theater, für Maler und Filmemacher keineswegs über Nacht goldene Zeiten verheißt. Mehr Geld für deren Belange wird es nämlich insgesamt wohl kaum geben, lediglich eine Neuordnung von Zuständigkeiten bei den gesamtstaatlichen Kulturaufgaben. Dies ist die primäre Aufgabe von Michael Naumann. Was er darüber hinaus noch an Ideen durchsetzen kann, wird im wesentlichen von Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine abhängen. Der jedoch quält als Buhmann des Mittelstands die klassische Kundschaft der Galerien mit Planspielen zur Wiedereinführung der privaten Vermögenssteuer und mit der bereits angekündigten Halbierung der Werbungskostenpauschale bei Immobilienbesitz.
Bestimmte Umverteilungen wären ohnehin angesagt gewesen. Aber mit Naumanns Wirken…