Sabine Schütz
Buchstäblich wörtlich – wörtlich buchstäblich
Kunstverein, 24.10.-22.11.1987
»am Anfang war das Wort am« – diese ebenso simple wie vertrackte Variation der berühmten Bibelsentenz stammt von dem Münsteraner Happening-Professor TIMM ULRICHS und findet sich – neben anderen Wort-Spielen und Sprach-Bildern des Künstlers – in einer 1968 erschienenen Publikation mit dem Titel »lesarten und Schreibweisen«. Dieses Heft ist Bestandteil einer etwa 400 weitere »Objekte« umfassenden Sammlung konkreter und visueller Poesie, welche die englische Kunstkritikerin Jasia Reichardt zusammentrug und 1979 an die Berliner Nationalgalerie verkaufte. Acht Jahre später liegt nun der wissenschaftlich bearbeitete Katalog der höchst reizvollen Kunst-Dokumentation der 60er Jahre vor, und eine Ausstellung ausgewählter Blätter, Bücher, Zeitschriften und Mappenwerke dieser Sammlung im Kölnischen Kunstverein runderte das Projekt ab.
»Buchstäblich wörtlich – wörtlich buchstäblich« lautete der Titel der Schau, in der so ziemlich alle Spielarten dieses Zwischenbereichs zwischen bildender Kunst und Literatur vertreten waren. Wenngleich die konkrete Poesie, ähnlich wie die konkrete, auf nichts als auf sich selbst bezogene Malerei und Plastik, eine typische Erscheinung der an experimentellen Kunstströmungen reichen 60er Jahre war, so finden sich Vorläufer der Buchstabenkunst und Wort-Malerei – wenn auch eher als Randerscheinungen – bereits in früheren kunsthistorischen Zusammenhängen. Eine erste Blüte erlebte die Sprache als bildnerisches Material zur Zeit der frühen Avantgarden – etwa in den lautmalerischen Nonsensgedichten von Kurt Schwitters oder bei den russischen Futuristen. Im Zuge der Wiederaufbereitung, die der Dadaismus und verwandte »Avantgardismen« in den 60er Jahren erfuhren, fand eine erneute und intensive Hinwendung zur sprachlichen Konkretion statt, als deren Protagonisten internationale Literaten und Künstler…