Bruno und die Giardini
Mäandernd durch die 56. Biennale di Venezia und einige ihrer Schauplätze
von Michael Hübl
Giordano?”, fragt einer. Giordano wie Giordano Bruno. Der andere vermutet, da gerade Biennale-Zeit ist, der Mann meint „Giardini.“ Er geht davon aus, der Frager habe in der Eile und weil er sich nicht auskennt in der Stadt, die Vokale durcheinander gebracht. Deshalb sagt er: „Sì!“ Ihm ist klar, der sucht nicht seinen Freund oder Kumpel, sonder will bloß auf das Boot, das gerade angelegt hat. Eine robuste Baumwolltasche mit dem Aufdruck „Invisible Beauty“ bestätigt den Auskunft Gebenden. Er hat das Motiv schon mehrfach auf Plakaten gesehen und weiß, dass der Hinweis auf eine „Unsichtbare Schönheit“, der in einem sternenreichen blaugrünen Kosmos zu schweben scheint, für den Pavillon des Irak wirbt. So durfte er mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er mit seiner Vermutung richtig liegt und er es mit einem Biennale-Besucher zu tun habe, der nur eines will: in die Giardini.
Was aber, wenn er selbst, durch die unverhoffte Ansprache irritiert, einen Moment lang unaufmerksam war und den Mann in ein Vaporetto einsteigen ließ, das eine völlig andere Station ansteuerte? Wenn also die Prämisse falsch war – wie etwa bei jenem Kunsthistoriker, der, durch sein Studium mit dem Italienischen vertraut, in einer Bar mitbekommt, wie jemand „tre caffè bianchi“ bestellt, sich sofort anschließt, dem Barista ein saloppes „uno anche per me“ zuruft und sich dann wundert, dass man ihm statt des erwarteten weißen, mit Milch aufgehellten Kaffees ein Glas Weißwein serviert. Venezianer (oder vielleicht auch…