Brigitte Raabe
… nichts anderes als ein Treibhaus: gleichmäßige Temperatur, keine Luftbewegung, übervoll von den verschiedensten Pflanzen, von unnatürlichen Blumen.
Thomas Pynchon
Topfpflanzen quer durch die Botanik: Mit Nelkengrün aus Südafrika, Birkenfeigen aus Indien und tropischen Schwertfarnen hat die Künstlerin den langen Saal des Kunstvereins Hannover in ein künstliches Paradies verwandelt. Eingetaucht ist es in ein leicht rosafarbenes Licht. Wir kennen diese Beleuchtung, deren Gleichmäßigkeit sich durch die Unabhängigkeit von Sonnenauf- und -untergang aufklärt: In Blumenläden hält sie als ,Energielicht’ die feilgebotenen Gewächse frisch und läßt deren Blütenreichtum farbenfroh und intensiv erstrahlen. Brigitte Raabe hat ihre Pflanzen zu überschaubaren ,Familien’ angeordnet. Die Blütenbegonien aus Südamerika schließen sich zu einer Kreisform, in zwei Linien dagegen sind der Wunderstrauch aus Indonesien und die Bunte Strahlenaralie aus Taiwan aufgereiht. Das Tor zu dieser botanischen Internationalen stellen zwei Lorbeerbäume aus Vorderasien dar. Aus dem wuchernden Angebot der Städtischen Gärtnerei ist ein harmonisches Ganzes gewoben und, mit den Worten Pynchons beschrieben, eine “Enklave der Regelmäßigkeit im Chaos der Stadt, fremd der Launenhaftigkeit des Wetters, der Innenpolitik, jeder öffentlichen Unruhe” entstanden.
Eine simulierte Enklave mit dem Hang zum Gesamtkunstwerk: für die Augen die sich stets ändernden Farbenspiele des ,Grüns’ – wie heute oftmals in bezeichnender Verkürzung die Natur etikettiert wird – für die Nase die pflanzlichen Duftstoffe, das ,florale Parfüm’, und für die Ohren das Wachsen des (mexikanischen) Grases und das Rauschen im Blätterwald.
In dieser umfassenden Ausstellung von natürlicher Künstlichkeit bündelt Brigitte Raabe unser dialektisches Verhältnis von (zweiter) Natur – auch unserer eigenen – und deren Beherrschung. Die einleuchtende Simulation…