Brief aus Mailand
Viele haben zu Beginn dieses Sommers auf dem Weg von der Biennale Venedig nach Basel in Mailand Station gemacht.
Im Padiglione d’Arte Contemporanea ist mit Kolo Moser einer der im Ausland weniger bekannten, aber besonders bedeutenden österreichischen Jugendstilkünstler und Zeitgenossen von Adolf Loos und Josef Hoffmann zu sehen. Die Schau vertieft die Sezessionsausstellung in Venedig und arbeitet im Unterschied zu dieser den “Turn of the Century” heraus.
Die wesentlichste Attraktion Mailands zu Beginn dieses Sommers ist jedoch eine umfassende Retrospektive.
Alberto Burris im neuen Ausstellungsgebäude der Provinz Mailand für moderne Kunst Brera 2 im Palazzo Citterio. Die Entwicklung des fast 70-Jährigen, der zunächst Medizin studierte und im Krieg in Lazaretten tätig war, bevor er sich der Kunst verschrieb, visualisiert sich an über 150 Werken.
Am Anfang stehen einige figurale Zeichnungen. Sehr schnell geht Burri ins Informel. Er gibt sich nicht mit dem öl auf Leinwand zufrieden, es interessiert ihn, was das Material an sich tun kann. Er beginnt mit der rohen Sackleinwand selbst zu arbeiten, sie gleichberechtigt neben seinen bevorzugten Farben weiß, schwarz und rot zu verwenden. Monochromie findet sich häufig, aber auch Leinwand pur, verschiedenartigst zusammengefügt, genäht, in Schichten…
Burri untersucht analytisch und poetisch zugleich. Der Zauber des Armen, Gewöhnlichen, Echten ist ihm Ausgangssituation. Durch Reduktion, Entblößung von allem Beiwerk stößt er zum Ernst der Wirklichkeit vor, zur Bedeutung des Materials. Es ist nur folgerichtig, daß er auf diesem Weg auch bald die Wirkung des Feuers nachvollzieht, Löcher brennt.
Desgleichen gewinnt der umgekehrte Vorgang immer wieder Gestalt – das Integrieren, Flicken, Löcher…