Christiane Bergob: Brief aus London
Wirklich Wahres
Immer schon hat es in London Regen gegeben. Man spricht auch noch immer vom Nebel, selbst wenn der nicht mehr so gut wie früher ist. Rote Doppeldeckerbusse fahren wie eh und je, aber rote Telefonzellen sind mehr und mehr gefährdet. Feucht bleibt es wohl auch hier, solange es noch Wasser gibt. Hunde, Pferde und Porträts werden immer noch geliebt, gemalt und gekauft. Aber wie sieht das mit der Kunst aus?
Was hierzulande gelobt wird, danach kräht kein Hahn woanders. Die wichtigsten Ausstellungen kommen vom Kontinent oder aus New York. Die größte Hoffnung jedes Galeristen ist ein intensiver Austausch mit dem Ausland, und der fließt zäh. Zuwenig Käufer, zuwenig Interesse an englischen Künstlern? Immer wieder heißt es, der Nachwuchs sei dieses Jahr sehr vielversprechend, aber plötzlich Kunstmetropole zu werden, gelingt nie so recht. Es gibt eben auch nicht sehr viele Überraschungen. Z. B. der Turner Preis, der gerade an Gilbert & George vergeben wurde. Wenn man das Programm mancher wichtigen Ausstellungsräume sieht, sollte man nicht meinen, daß man in England ist. Wenn es also tatsächlich wahr ist, daß England, trotz erfolgreicher Skulpturexporte, irgendwie im Schatten steht, dann muß man einräumen, daß es gerade im Schatten und ob des Schattens hier momentan interessant ist.
Man stelle sich vor.
Es ist dunkel und kalt und naß und leer genug überall, daß man gern ein bißchen schneller geht. Und wenn man hier oder da ein erleuchtetes Fenster sieht, kommt einem das schon anheimelnd vor – eine mögliche Zufluchtsstätte -…