Brian O`Doherty: In der weißen Zelle
Inside the White Cube
Zeitpunkt und Verlagsort sind symptomatisch. Zwanzig Jahre nach der Erstveröffentlichung, zehn Jahre nach der amerikanischen Buchausgabe wird die Aufsatzfolge `Inside the White Cube` von Brian O`Doherty zum ersten Mal vollständig und erweitert in Deutsch veröffentlicht. Der Band erscheint im Berliner Merve Verlag und wurde herausgegeben von Wolfgang Kemp, der schon 1982 eine unvollständige Übersetzung vorlegte. Mittlerweile ist der Text zum Standardinventar zeitgenössischer Theoriediskussion im Bereich zeitgenössischer Kunst geworden, diskutiert im Umkreis der sogenannten Kontext Kunst und des Betriebssystems Kunst. Allerdings kann man die Veröffentlichung nur als ein Quellentext ansehen, im guten und im schlechten Sinne. Wer die amerikanische Buchausgabe kennt, wird dort großzügige Abbildungen finden. Von dieser Großzügigkeit mußte man sich bei der Veröffentlichung des Merve Verlags verabschieden. Und letztendlich mutet es seltsam an, daß ein Verlag, der sich mit Poststrukturalismus und seinen Vorläufern und Ausläufern profilierte, das Buch von O`Doherty veröffentlicht. Allerdings ließe sich das im Hinblick auf den selbstreferentiellen Modus der Kritik von O`Doherty verständlich machen. So bindet Markus Brüderlin in seinem ausführlichen Nachwort Überlegungen O`Doherty auch an die Theorien von Niklas Luhmann an. Leider kommt in diesem Nachwort die amerikanische Diskussion im Rahmen einer Institutional Critique zu kurz. Sie könnte darauf hinweisen, inwieweit die Kritik an der Weißen Zelle, wie sie in Europa betrieben wurden, nicht auch als Reaktion auf diesen Import betrieben wurde. Damit würde dann auch die politische Dimension des Vorgehens von O`Doherty verdeutlicht werden. Denn notwendig ist ein Fortschreibung des Konzepts von O`Doherty, den der Autor…
